14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
gewesen wäre, war er bemüht gewesen, die ganze Umgegend in Aufruhr zu versetzen, und während die mit Beute beladenen Bejat ahnungslos ihrem Lager zuzogen, war dasselbe bereits von drei Seiten, wenn auch in sehr weiter Entfernung, so eingeschlossen, daß die Räuber froh sein mußten, mit dem nackten Leben zu entkommen. Hinter uns tobte der Kampf. Wie es den Bebbeh dort gelungen war, unbemerkt an die Bejat zu kommen, das zu untersuchen hatte ich keine Zeit. Links von uns sah ich eine breite Linie von Reitern im Galopp sich dem Kampfplatz nahen. Und rechts von uns war die ganze Gegend bis hinaus zum äußersten Horizont mit beweglichen Punkten bestreut; auch das waren Reiter.
„Vorwärts, Effendi!“ rief Mohammed Emin. „Sonst schließen sie uns ein! Bist du mit heiler Haut davon gekommen?“
„Ja. Und du?“
„Eine kleine Schramme.“
Wirklich blutete er an der Wange, aber der Riß konnte nicht gefährlich sein.
„Kommt heran!“ bat ich. „Wir bilden eine gerade Linie. Wer uns von der Seite sieht, wird uns von weitem für einen einzigen Reiter halten.“
Diese List wurde befolgt, aber die Bebbeh, welche sich hinter uns befanden, konnten nicht getäuscht werden, und wir bemerkten gar bald, daß wir von einer ansehnlichen Schar verfolgt wurden.
„Sihdi, werden sie uns einholen?“ fragte Halef.
„Wer weiß es! Es kommt darauf an, welche Art von Pferden sie reiten. Aber, Hadschi Halef Omar, was ist's mit deinem Auge? Ist es schlimm?“
Sein Auge war geschwollen, trotzdem nur wenige Minuten seit dem Überfall vergangen waren.
„Es ist nichts, Sihdi“, antwortete er. „Dieser Bebbeh war fünfmal länger als ich und hat mir einen kleinen Hieb gegeben. Hamdullillah, er wird es nicht wieder tun!“
„Du hast ihn doch nicht getötet?“
„Nein. Ich weiß, daß du dies nicht willst, Effendi.“
Es gewährte mir allerdings eine nicht geringe Freude, daß keiner der Feinde von uns an seinem Leben geschädigt worden war. Dies mußte uns, selbst vom Standpunkt der reinen Berechnung betrachtet, lieb und beruhigend sein; denn wenn wir den Bebbeh ja in die Hände fielen, so hatten sie doch wenigstens keine Blutrache an uns zu nehmen.
Wir setzten unsern Galopp wohl über eine viertel Stunde lang fort. Der Kampfplatz war uns dabei aus den Augen geschwunden, aber die Verfolger waren hinter uns geblieben. Sie hatten sich geteilt. Diejenigen, welche gute Pferde hatten, waren uns näher gekommen, während die anderen weit zurückblieben.
„Emir, sie werden uns einholen, wenn wir nicht schneller reiten“, meinte Amad el Ghandur.
„Wir dürfen unsere Tiere nicht jetzt gleich zu sehr anstrengen. Übrigens haben sich die Verfolger getrennt, und es ist besser, einmal mit ihnen zu reden, als sich von ihnen abhetzen zu lassen.“
„Maschallah! Du willst mit ihnen sprechen?“ rief Mohammed Emin.
„Allerdings. Ich hoffe, sie so weit zu bringen, daß sie von der Verfolgung absehen. Reitet weiter! Ich werde hier halten bleiben.“
Sie ritten im gleichen Tempo weiter. Ich aber stieg vom Pferd, nahm meine Waffen zu mir, setzte mich zur Erde und richtete das Gesicht gegen die Verfolger.
Als sie noch ungefähr tausend Schritte entfernt waren, nahm ich mein Turbantuch herab und wehte damit durch die Luft. Sie fielen sofort aus dem Galopp in Schritt und hielten auf der Hälfte der soeben angegebenen Entfernung an. Nach einer kurzen Besprechung kam einer von ihnen näher herbeigeritten und fragte:
„Warum sitzest du an der Erde? Ist es List oder Wahrheit?“
„Ich will mit euch reden.“
„Mit uns allen oder nur mit einem?“
„Mit einem, den ihr euch wählen und mir dann senden werdet.“
„Du hast deine Waffen bei dir.“
„Er kann die seinigen auch mitbringen.“
„Lege sie weit von dir; dann wird einer von uns kommen.“
„Dann muß auch er die Waffen zurücklassen!“
„Er wird sie ablegen.“
Ich erhob mich, legte die beiden Dolche und Revolver auf die Erde und hing die Büchse und den Stutzen an den Sattel. Dann setzte ich mich wieder nieder. Diese Leute konnten unmöglich wissen, wie viele und was für Waffen ich bei mir trug; es wäre mir also leicht gewesen, wenigstens die Revolver bei mir zu behalten; aber ich wollte ehrlich gegen sie sein, um von ihnen ebenso ehrlich behandelt zu werden.
Ich zählte elf Mann. Der mit mir gesprochen hatte, kehrte zu ihnen zurück und sprach mit ihnen. Dann stieg er ab, legte seine Büchse, seinen Wurfspieß und sein Messer nieder und kam langsam auf
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