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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gewartet. Der Ausgang der Gerichtsverhandlung war allen unlieb, und sodann hatten sie sich meine so schnelle Entfernung nicht erklären können.
    „Sihdi“, meinte mein kleiner Hadschi Halef Omar, „ich sage dir, daß ich große Sorge um dich gehabt habe!“
    „Sorge um mich? Warum?“
    „Warum? So fragst du?“ sagte er ganz erstaunt. „Weiß du denn noch immer nicht, daß ich dein Freund und Beschützer bin?“
    „Das weiß ich allerdings, mein guter Halef.“
    „Nun, als Freund hast du mir zu sagen, wohin du gehst, und als Beschützer hast du mich sogar mitzunehmen.“
    „Ich konnte dich nicht gebrauchen.“
    „Mich nicht gebrauchen?“ fragte Halef, indem er ganz energisch an seinen dreizehn Schnurrbarthaaren herumzupfte. „Du hast mich gebrauchen können in der Sahara, in Ägypten, am Tigris, bei den Teufelsanbetern, in Kurdistan, in den Ruinen, deren Name mir nicht sogleich einfällt, in Stambul und überall; hier aber willst du mich nicht gebrauchen können? Das glaube ich nicht! Weißt du, daß es hier ebenso gefährlich ist, als in der Sahara oder im Tal der Stufen, wo wir die vielen Feinde gefangen nahmen?“
    „Warum?“
    „Weil man hier seine Feinde vor lauter Menschen nicht sehen kann. Oder glaubst du etwa, ich wisse nicht, daß du dich eines neuen Feindes wegen entfernt hast?“
    „Woher kommt dir dieser Gedanke?“
    „Ich folge stets deinen Augen und sehe, was sie tun.“
    „Nun, was haben sie getan?“
    „Sie haben beim Kadi einen Bulgaren beobachtet, der aber kein Bulgare war. Als dieser ging, bist du schleunigst aufgebrochen.“
    „Wahrhaftig, Halef, du hast ganz recht beobachtet!“ sagte ich.
    „O, Sihdi“, meinte er stolz, „weißt du noch, als wir durch das Wadi Tarfaui ritten, und du die Darb (Spur, Fährte) der Mörder beobachtetest?“
    „Ja, das weiß ich noch.“
    „Da lachte ich dich aus, daß du im Sande lesen wolltest. Ich war damals das, was der Türke ahmak (dumm) nennt; aber ich hielt mich dennoch für außerordentlich klug.“
    „Ah, du hast unterdessen von mir gelernt! Nicht wahr?“
    Er wurde einigermaßen verlegen. Er wollte doch nicht so geradezu gestehen, daß ein ‚Beschützer‘ von dem Beschützten gelernt habe, und konnte es auch nicht ganz und gar verneinen. Darum antwortete er, um sich wenigstens nicht zu auffällig eine Blöße zu geben:
    „Wir haben uns gegenseitig unterrichtet, Sihdi. Was du konntest, das habe ich von dir gelernt, und was ich wußte, das hast du von mir angenommen. Auf diese Weise sind wir klüger geworden, so klug, daß beide, Allah und der Prophet, ihre Freude an uns haben. Wärest du nicht ein Christ, sondern ein Gläubiger, so würde diese Freude tausendfach größer sein.“
    „Was du da sagst, muß einer sorgfältigen Prüfung unterworfen werden. Wir wollen gleich heute einmal sehen, ob du wirklich so klug bist, wie du denkst!“
    Seine kleinen Augen blitzten beinahe zornig auf.
    „Sihdi“, sagte er, „willst du mich etwa beleidigen? Ich bin dir ein treuer Diener gewesen, seit ich dich kenne. Ich habe dich beschützt in allen Gefahren des Leibes und der Seele. Ich bin dein Freund und dein Gönner, denn ich habe dich so lieb, daß ich gar nicht weiß, wem mein Herz mehr gehöre, dir oder meiner Hanneh, der Blume der Frauen. Ich habe mit dir gehungert und gedürstet, geschwitzt und gefroren; ich habe mit dir und für dich gekämpft; kein Feind hat meinen Rücken zu sehen bekommen, denn es wäre mir eine Schande gewesen, dich zu verlassen. Und nun willst du sehen, ob ich klug bin! Für dies alles hast du nichts als eine Beleidigung? Sihdi, ein Fußtritt hätte mir nicht weher getan, als dieses Wort!“
    Der brave Mensch meinte es ernst. In seinen Augen bemerkte ich einen feuchten Schimmer. Es war natürlich weder meine Absicht gewesen, ihn zu kränken, noch ihn zu beleidigen; darum legte ich ihm beruhigend meine Hand auf die Schulter und antwortete:
    „So habe ich es nicht gemeint, mein guter Halef. Ich wollte nur sagen, daß es eben jetzt eine Gelegenheit gibt, deine Klugheit zu betätigen.“
    Das stimmte ihn sofort um.
    „Sage mir diese Gelegenheit, Sihdi“, meinte er, „und du wirst sehen, daß ich deines Vertrauens würdig bin!“
    „Es handelt sich um den Mann, welchen ich während des Verhörs beobachtet hatte. Er scheint mir ein –“
    „Ein Bekannter des Gefangenen zu sein!“ fiel Halef ein, um mir zu beweisen, daß er nicht nur meine Gedanken erraten, sondern auch scharf nachgedacht

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