14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
langsam und nachdenklich dahin, und ich folgte ihm wohl zehn Minuten lang.
Da wendete er sich ganz plötzlich und rasch um und erblickte mich. Ich war während der Verhandlung natürlich hervorragend beteiligt gewesen; er hatte mich dort gesehen und beobachtet und erkannte mich sofort wieder. Er ging weiter, bog aber dann in eine sehr enge Nebengasse ein.
Ich beschloß dennoch, ihn nicht aus den Augen zu lassen, und nahm den Gang und die Haltung eines Mannes an, der nur mit sich selbst beschäftigt ist und keine große Acht auf andere hat.
Er mochte das Gäßchen halb durchschritten haben, da drehte er sich zum zweiten Mal um. Er mußte mich abermals erblicken, und das fiel ihm sicherlich auf. So ging es durch mehrere Gassen und Gäßchen, er sich zuweilen nach mir umsehend, und ich ihn nicht aus dem Auge lassend. Im Eifer der Verfolgung war es mir schließlich ganz gleich geworden, ob er es bemerkte, daß ich es auf ihn abgesehen hatte. Der Umstand, daß er sich vor mir scheute, bestärkte mich nur in meiner Überzeugung, er könne sich nicht eines guten Gewissens rühmen.
Das mochte er auch einsehen. Denn als er abermals in eine kleine Gasse eingebogen war, und ich dann eine halbe Minute später um die Ecke kam, stand er hinter derselben. Er blickte mich mit flammendem Auge an und fragte:
„Folgst du etwa mir?“
Ich blieb vor ihm stehen, betrachtete ihn genau und antwortete:
„Was geht dich mein Weg an?“
„Sehr viel! Er scheint der meinige zu sein.“
„Wohl dir, wenn es so ist; denn der Weg, den ich gehe, ist ein ehrlicher und offener.“
„Willst du etwa damit sagen, daß der meinige dies nicht sei?“
„Ich kenne deine Wege nicht und habe nichts mit dir zu schaffen!“
„Das hoffe ich“, meinte er höhnisch; „darum sollst jetzt du einmal vorangehen!“
„Mir gleich“, antwortete ich.
Ich schritt weiter, ohne mich nach ihm umzusehen; aber mein Ohr war geübt genug, sich von ihm nicht täuschen zu lassen. Ich hörte seine Schritte hinter mir; dann entfernten sie sich. Sie sollten leise sein, aber ich vernahm sie doch.
Als ich sie dann nicht mehr hörte, drehte ich mich rasch und lief zurück. Richtig! Dort eilte er hinab und bog in eine andere Gasse ein. Ich folgte ihm nun, wo er mich nicht sehen konnte, und kam just zur rechten Zeit an die nächste Ecke, um zu sehen, daß er abermals um eine andere Ecke bog.
Natürlich stand ich einige Augenblicke später an derselben und bemerkte, daß er nach der Tscharschia Ali Paschas einlenkte.
Tscharschia bedeutet Bazar und ist von dem slavonischen Wort tscharschit abzuleiten, welches ‚bezaubern‘ bedeutet. Es soll damit auf den Eindruck hingedeutet werden, welchen die Waren auf den Beschauer machen.
Der Mann dachte natürlich, daß ich im Gedränge des Bazars seine Spur sicher verlieren würde, wenn ich derselben noch immer folgen sollte. Mir aber war diese Wendung lieb; denn eben dieses Gedränge machte es mir möglich, ganz nahe an ihn heranzukommen, ohne von ihm bemerkt zu werden.
Das geschah denn auch. Ich blieb hart hinter ihm, obgleich er seine Richtung wohl noch mehr als zehnmal änderte. Endlich – wir waren grad durch den Kleiderbazar gekommen – schritt er auf ein ganz in der Nähe befindliche Karawanserei zu, in dessen Tor er trat. Hier konnte er mir nicht entgehen, da ich annehmen mußte, daß das Serai keinen zweiten Ausgang habe.
Nun fragte es sich nur, ob er dort wohne oder durch seinen Eintritt einen anderen Zweck verfolge. Ich wurde, als ich stehen blieb, um ihn zu beobachten, von dem letzteren überzeugt. Er blieb nämlich hinter dem Tor stehen und rekognoszierte den vor ihm liegenden Platz sehr sorgfältig, jedenfalls nach mir.
Da kam mir ein Gedanke. Ich trat zu dem nächsten Händler.
„Sallam aaleïkum!“
„Aaleïkum!“ antwortete der Mann höflich.
„Hast du ein blaues Turbantuch?“ fragte ich.
„Ja, Effendi.“
„Und einen Mahluta (Mantel)?“
„So viele du willst!“
„Ich habe Eile. Ich will mir beides nur leihen, aber nicht kaufen. Mache schnell und gib mir den Mantel und das Tuch! Hier ist meine Uhr; hier sind meine Waffen; dazu gebe ich dir meinen Kaftan und auch noch fünfhundert Piaster. Das alles wird genug sein, dir Sicherheit zu geben, daß ich wiederkomme.“
Er blickte mich erstaunt an. So etwas war ihm wohl noch gar nicht begegnet.
„Effendi, warum tust du das?“ fragte er.
Um nicht aufgehalten zu werden, mußte ich es ihm sagen.
„Ich verfolge einen Mann, der mich
Weitere Kostenlose Bücher