14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Kampfes; es fanden sich keine mehr.
Unbegreiflich war es, daß die drei Männer meinem Halef sein Messer und die beiden Pistolen gelassen hatten, welche in seinem Gürtel steckten. Sein Gewehr hatte ich in einem Winkel seiner Stube lehnen sehen.
„Hatte auch Manach el Barscha ein Zimmer bei dir?“ fragte ich den Wirt, welcher ganz verwundert zugesehen und zugehört hatte.
„Ja“, antwortete er.
„Er ist oft bei dir eingekehrt?“
„Ja.“
„So kennst du ihn genau?“
„Ja. Er heißt so wie du ihn nennst, und ist Steueraufseher.“
„Wo wohnt er?“
„In Uskub. Aber er ist nicht oft zu Hause. Er hat viele Orte gepachtet und muß also viel reisen, um die Steuern zu holen.“
„Führe uns auf das Zimmer, welches er bewohnt hat!“
Dies geschah. Ich hatte gehofft, irgendeinen Fingerzeig zu entdecken; aber es zeigte sich nicht das Mindeste, was geeignet gewesen wäre, noch einen weiteren Aufschluß zu geben. Der Auftrag, den ich Halef gegeben hatte, war erfüllt, aber leider mit dem unglücklichsten Ausgang; ich schickte den kleinen Hadschi mit seinem Pferd nach Hause. Er trabte höchst niedergeschlagen von dannen und murmelte tausend Verwünschungen in die Haarfäden, welche er Bart nannte. Hulam aber wurde von mir veranlaßt, sich sofort zum Kadi zu begeben. Er hatte bisher kein Wort gesprochen; jetzt aber meinte er:
„Ketir, ketir – das ist zu viel, viel zu viel! Wer hätte das für möglich gehalten! Wären wir nicht in das Bad gegangen, sondern daheim geblieben, so hätte uns Osco zur rechten Zeit getroffen, und die Flucht wäre nicht geglückt!“
„Wir müssen denken, daß es so hat sein sollen!“
„Aber was wollen wir da beim Kadi? Kann er es anders machen?“
„Wir müssen ihm das Geschehene anzeigen und nur mit seiner Hilfe können wir den Beweis holen, daß der Gefangene sich wirklich nicht mehr in Haft befindet.“
„Der Kadi wird bereits schlafen!“
„So wecken wir ihn.“
„Wird er das dulden?“
„Er muß!“
Der Beamte hatte sich, wie wir erfuhren, allerdings zur Ruhe begeben, und es kostete mich einige Kraftworte, ehe man es wagte, ihn zu wecken. Dann wurden wir vorgelassen. Er empfing uns mit nicht sehr freundlicher Miene und fragte nach unserem Begehr.
„Wir haben Barud el Amasat in deine Hand gegeben“, antwortete ich, allerdings auch nicht in übermäßig höflichem Ton. „Hast du dafür gesorgt, daß er gut bewacht wird?“
„Bist du nur gekommen, um mir diese Frage vorzulegen?“
„Ich werde Deine Antwort hören!“
„Der Gefangene wird gut bewacht. Ihr könnt gehen.“
„Nein, nicht wir können gehen, sondern er ist gegangen!“
„Er? Wer?“
„Der Gefangene.“
„Allah akbar! Gott ist groß, er kann dich verstehen; ich aber begreife deine Worte nicht.“
„So muß ich deutlicher sein: Barud el Amasat ist entflohen.“
Der Kadi sprang von dem Polster auf, auf welchem er bei unserem Eintritt gesessen und vor demselben vielleicht auch geschlafen hatte.
„Was sagst du?“ fragte er. „Entflohen ist er?“
„Ja.“
„Entsprungen? Aus dem Zindan entsprungen?“
„Ja.“
„Woher weißt du es?“
„Wir sind ihm begegnet.“
„Ïa Allah! Warum habt ihr ihn nicht festgehalten?“
„Wir kannten ihn nicht.“
„Woher wißt ihr es dann, daß er es gewesen ist?“
„Wir haben es erst nachher erfahren. Ein Steuerpächter hat ihn befreit, welcher Manach el Barscha heißt.“
„Manach el Barscha? O, den kenne ich! Er war früher Pächter der Steuern und wohnte in Uskub; aber jetzt ist er es nicht mehr. Er wohnt in den Bergen.“
Er wohnt in den Bergen, das heißt, er hat in die Berge fliehen müssen. Daher fragte ich:
„Hast du ihn heute während des Verhöres nicht gesehen?“
„Nein. Woher kennst du ihn?“
„Ich erfuhr seinen Namen und seinen Aufenthalt hier von einem Kleiderhändler. Er wohnte bei dem Handschia Doxati, hat Pferde gekauft und ist heute abend mit Barud el Amasat und einem dritten aus der Stadt geritten.“
„Wer war dieser dritte?“
„Ich weiß es nicht, vermute aber, daß es ein Aufseher, ein Schließer des Gefängnisses ist.“
Wir erzählten ihm nun in Kürze, was geschehen war. Da ließ er sich seinen Degen kommen, befahl zehn Khawassen, uns zu begleiten, und machte sich auf den Weg nach dem Gefängnis.
Der Nazar-Baschi (Oberaufseher) war nicht wenig erstaunt, zu so später Stunde solchen Besuch zu erhalten.
„Führe uns zu dem Gefangenen, welcher Barud el Amasat heißt!“ befahl der
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