Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
keinen Nutzen bringen, denn der kleine Hof war an seinen vier Seiten von Gebäudeteilen umschlossen. Es galt, die Angreifer abzuwerfen und durch den Gang zurück zur Tür und wieder auf die Straße zu gelangen. Ich stieß also, mich breitbeinig feststellend, die Arme so weit aus, als ich es bei dem Widerstand, welchen ich fand, vermochte, und zog sie dann plötzlich und kräftig wieder ein. Das gab einen Ruck, durch den wirklich zwei abgeschüttelt wurden; aber vorn und hinten hielten mich die anderen doch gefaßt, und die beiden hingen sich rasch wieder an mich.
    Der Angriff galt wirklich mir, keinem anderen; davon war ich überzeugt. Man hatte mir beim Kadi aufgelauert und mich in diese Falle gelockt. Worte konnten mir keine Hilfe bringen, und so begann jetzt ein lautloses Ringen, bei dem ich meine Kräfte so anzustrengen hatte, daß mir die Brust zu platzen drohte – vergeblich! Es waren ihrer zu viele. Ich wurde niedergerissen, und trotzdem ich nach Möglichkeit auch da mich noch wehrte und mit Händen und Füßen um mich schlug, fühlte ich doch bald, daß ich mich in Stricken verfing, welche man um mich schlug.
    Ich war gefangen und gefesselt!
    Warum hatte ich nicht um Hilfe geschrien? Warum hatte ich keinen Laut von mir gegeben? Um wenigstens das Leben zu retten, wenn auch die Freiheit verloren war. Auf das erstere schien man es, wenigstens in diesem Augenblick, nicht abgesehen zu haben, sonst hätte man mich ja sofort durch einen Schuß oder Stich niederstrecken können. Machte ich aber Lärm, so daß man die Entdeckung des Anschlages zu befürchten hatte, so konnte ich leicht den Tod für mich heraufbeschwören.
    Auch ein nicht übermäßig kräftiger Mann entfaltet in einer solchen Lage einen ungewöhnlichen Widerstand. Ich hatte keinen Atem mehr, doch meine Angreifer keuchten ebenso wie ich. Ich hatte ein Messer und eine Pistole im Gürtel gehabt; sie waren mir aber gleich im ersten Moment aus demselben gerissen worden. An ein Zuschlagen war ich gar nicht gekommen, da ich von zehn bis vierzehn Armen eingeschnürt gewesen war.
    Jetzt fluchten die Kerls in allen Tonarten um mich herum, und dabei war es so finster, hier zwischen den Mauern, daß man die Hand vor den Augen nicht zu erkennen vermochte.
    „Hazyr – fertig?“ fragte eine Stimme.
    „Ewet – Ja!“
    „Schafft ihn hinein!“
    Man faßte mich an und schleppte mich fort. Ich konnte zwar den Körper und die Knie bewegen und hätte noch jetzt einigen Widerstand zu leisten vermocht, doch verzichtete ich darauf, da es mir meine Lage nur zu verschlimmern, nicht aber zu verbessern vermochte.
    Ich bemerkte, daß man mich durch zwei finstere Räume in einen dritten schaffte, wo man mich einfach zu Boden warf. Die Träger entfernten sich. Nach einiger Zeit traten zu mir zwei Männer ein. Der eine trug eine Lampe.
    „Kennst du mich noch?“ fragte der andere.
    Er stellte sich so, daß der Schein des Lichtes auf sein Gesicht fiel. Man denke sich mein nicht eben sehr freudiges Erstaunen, als ich in ihm – Ali Manach Ben Barud el Amasat erkannte, den Sohn des Entflohenen, den Derwisch, mit welchem ich in Konstantinopel im Kloster gesprochen hatte.
    Ich antwortete nicht. Er versetzte mir einen Fußtritt und wiederholte:
    „Ich frage, ob du mich noch kennst?“
    Das Schweigen konnte mir keinen Nutzen bringen. Wollte ich wissen, was man mit mir vorhabe – und das war für mich jetzt ja die Hauptsache – so mußte ich sprechen.
    „Ja“, antwortete ich.
    „Lügner! Du warst kein Nassr!“
    „Habe ich mich für einen ausgegeben?“
    „Ja!“
    „Nein. Ich hatte nur keine Veranlassung, dir deinen Irrtum zu benehmen. Was wollt ihr von mir?“
    „Wir werden dich töten!“
    „Meinetwegen!“ antwortete ich darauf möglichst gleichgültig.
    „Tue nicht so, als ob du das Leben nicht liebtest! Du bist ein Giaur, ein Christ, und diese Hunde wissen nicht zu sterben, weil sie keinen Koran, keinen Propheten und kein Paradies haben!“
    Bei diesen Worten versetzte er mir einen zweiten Fußtritt in die Seite. Hätte ich nur eine einzige Hand freigehabt! Dieser Derwisch hätte noch ganz anders tanzen sollen, als vor kurzem in Stambul.
    „Was kann ich dagegen tun, wenn ihr mich töten wollt?“ meinte ich. „Ich werde ebenso ruhig sterben, wie ich jetzt so kaltblütig deine Fußtritte ertrage. Ein Christ würde nicht so feig sein, einen Gefesselten zu quälen. Nimm mir die Stricke ab, und dann wollen wir sehen, wessen Prophet größer und wessen Paradies

Weitere Kostenlose Bücher