14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
Quertal zu durchschneiden hatten. Gerade als wir bei der gegenüberliegenden Ecke anlangten, blieb Dojan stehen und sah mich bittend an. Ich kannte seine Manieren; er hatte etwas verdächtiges bemerkt und wollte nun die Erlaubnis haben, mich verlassen zu dürfen. Ich ließ halten und sah mich um, fand aber nicht die geringste Spur eines lebenden Wesens.
„Jürü (Gehe), Dojan!“ sagte ich, und sofort sprang der Hund in das Gebüsch hinein. Einige Augenblick später hörten wir einen Schrei, und dann erscholl jener kurze Laut, welcher mir sagte, daß Dojan einen Menschen unter sich liegen habe.
„Halef, komm!“
Wir sprangen von den Pferden, warfen den andern die Zügel zu und folgten dem Hund. Wahrhaftig, neben einem stacheligen, heckenrosenartigem Busch lag ein Mann, und der Hund stand über ihm und hatte seine Zähne an dessen Gurgel.
„Dojan, geri.“
Der Hund ließ ab, und der Mann erhob sich.
„Was tust du hier?“
Er blickte mich an, als ob er sich die Antwort erst überlegen wolle, gab sie aber nicht, sondern tat einen plötzlichen Seitensprung und verschwand.
Auf meinen Wink setzte der Hund dem Fremden nach. Keine Minute später hörten wir wieder den Angstschrei des Mannes und den bezeichnenden Laut des Hundes. Neben der Stelle, wo der Mann gelegen hatte, hing seine Flinte an einem abgebrochenen Zweig. Ich winkte Halef, sie zu nehmen, und dann drangen wir weiter vor. Wir fanden Mensch und Hund genau wieder in der vorherigen Lage. Der erstere wagte gar nicht, sich zu rühren und von dem Messer Gebrauch zu machen, welches er im Gürtel hatte.
„Ich werde dir noch einmal erlauben, dich zu erheben, aber ich sage dir: wenn du abermals zu entfliehen versuchst, so wir der Hund dich zerreißen“, warnte ich ihn.
Dann rief ich Dojan abermals. Der Fremde stand auf und blieb in demütiger Haltung vor mir stehen.
„Wer bist du?“
„Ich bin ein Bewohner von Soota“, antwortete er.
„Ein Bebbeh?“
„Nein, Herr. Wir sind Feinde der Bebbeh, denn ich bin ein Dschiaf.“
„Woher kommst du?“
„Aus Achmed Kulwan.“
„Das ist weit. Was hast du dort getan?“
„Ich sorge für die Herden des dortigen Kiaja.“
„Wohin willst du?“
„Nach Soota zu meinen Freunden. Die Dschiaf feiern ein großes Fest, welches wir mitmachen wollen.“
Das stimmte.
„Haben die Dschiaf auch Gäste bei diesem Fest?“
„Ich habe gehört“, antwortete er, „daß Khan Heider Mirlam mit seinen Bejat kommen will.“
Auch das stimmte. Dieser Mann schien kein Lügner zu sein.
„Warum versteckst du dich vor uns?“
„Herr, muß ein einzelner Mann sich nicht verstecken, wenn er sechs Reiter kommen sieht? Er weiß hier in den Bergen doch niemals, ob es Freunde oder Feinde sind.“
„Aber warum versuchst du, mir zu entfliehen?“
„Weil ich dachte, du seist ein Feind, denn du hetzt deinen Hund auf mich.“
„Bist du wirklich ganz allein hier?“
„Ganz allein; das kannst du mir beim Barte des Propheten glauben!“
„Ich will es dir glauben. Gehe voran!“
Wir kehrten mit ihm zu den Gefährten zurück, wo er seine Aussage wiederholen mußte. Sie stimmten mit mir darin überein, daß der Mann ungefährlich sei. Er erhielt seine Flinte wieder und durfte gehen. Nachdem er sich bedankt und den Segen Allahs auf unsere Häupter herabgewünscht hatte, setzten wir den unterbrochenen Ritt weiter fort.
Ich hatte bemerkt, daß Allo den Fremden recht nachdenklich betrachtete hatte; auch jetzt saß er sinnend auf dem Rappen, und eben wollte ich ihn nach dem Gegenstand seines Grübelns fragen, als er, wie sich endlich besinnend, aufblickte und schnell an meine Seite kam.
„Chodih, dieser Mann hat euch belogen! Ich kannte ihn, aber ich wußte nicht mehr, wer er war. Jetzt nun habe ich mich besonnen. Er ist kein Dschiaf, sondern ein Bebbeh. Er muß ein Bruder oder Verwandter des Scheik Gasahl Gaboya sein. Ich habe sie beide in Nweizgieh gesehen.“
„Wenn dies wahr wäre! Irrst du dich nicht?“
„Es ist möglich, aber ich meine recht gesehen zu haben.“
Ich teilte den andern die Vermutung des Köhlers mit und fügte hinzu:
„Fast möchte ich diesem Mann nachreiten!“
Mohammed Emin schüttelte den Kopf.
„Warum willst du die Zeit verschwenden und wieder umkehren? Wenn dieser Mann wirklich ein Bebbeh wäre, wie wollte er wissen, daß Heider Mirlam von den Dschiaf eingeladen ist? Solche Dinge werden vor dem Feind stets geheim gehalten.“
„Und“, fügte Amad el Ghandur hinzu, „wie könnte uns
Weitere Kostenlose Bücher