14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
dieser Mann Schaden bringen? Er geht nach Norden, und wir reiten nach Süden. Man würde uns nicht einholen können, selbst wenn er in Banna von uns erzählte.“
Diese Gründe waren allerdings sehr triftig, und daher gab ich es auf, wieder umzukehren. Nur der Engländer schien nicht befriedigt zu sein.
„Warum den Kerl laufen lassen?“ zürnte Sir David, als ich ihm alles erklärt hatte. „Hätte den Kerl erschossen. Ist nicht schade darum. Jeder Kurde ist ein Spitzbube! Yes!“
„War der Bey von Gumri auch einer?“
„Hm! Ja!“
„Sir, ihr seid sehr undankbar!“
„Geht Euch nichts an! Dieser gute Bey hätte uns nicht so gut empfangen, wenn er nicht durch Marah Durimeh von uns gehört hätte. Gutes Weib, einziges Weib, diese alte Grandmother (Großmutter)!“
Durch den Namen Marah Durimeh wurden Erinnerungen in mir erweckt, welche mich für den Augenblick die Gegenwart vergessen ließen. Ich gab mich denselben schweigend hin, bis der Engländer mich daran mahnte, daß es Zeit sei, die Mittagsrast zu halten.
Er hatte recht. Es war heute trotz des schlechten Weges eine tüchtige Strecke zurückgelegt worden, und so konnten wir uns und den Pferden die verdiente Ruhe gönnen. Wir fanden einen Platz, welcher ganz dazu geeignet war; da stiegen wir ab und legten uns, die Wache abgerechnet, zu einem kurzen Schlummer hin.
ZWEITES KAPITEL
Ein Überfall
Als wir geweckt wurden, hatten sich die Tiere wieder erholt. Ich beschloß, einen Versuch zu machen, ob das neu erworbene Pferd den Köhler nun aufsitzen lasse. Er gelang. Das Tier mochte gemerkt haben, daß es bei uns nicht gequält werde. So konnte ich meinen Rih wieder besteigen, und dies war ein Glück, wie ich bald einsehen sollte.
Die vorher so kahlen Höhen bewaldeten sich immer mehr, je weiter wir nach Süden kamen; es gab mehr Wasser hier. Infolgedessen wurde unser Ritt beschwerlicher. Von einem gebahnten Weg war keine Rede. Bald mußten wir eine schroffe Höhe erklettern, bald drüben wieder hinuntersteigen; bald ging es zwischen Felsen hindurch, bald durch sumpfiges Land oder über halb verfaulte Bäume hinweg. So gelangten wir am Nachmittag in ein schmales Tal, das nur in seiner Mitte einen wiesenähnlichen Streifen zeigte, hüben und drüben aber mit üppigem Baumwuchs bestanden war. In der Ferne erhob sich in bläulicher Färbung ein großer Berg, der uns mit seinen Vorhügeln den Weg zu verlegen schien.
„Kommen wir dort vorüber?“ fragte ich Allo.
„Ja, Herr. Links gehen wir an seinem Fuß hin.“
„Was sagt der Mann?“ fragte Lindsay.
„Daß unser Weg dort am linken Fuß des Berges vorüber gehe.“
„Brauchen wir nicht zu wissen!“ brummte er mürrisch.
Er sollte sehr bald einsehen, daß diese Bemerkung des Führers für ihn von der größten Wichtigkeit gewesen war; denn kaum öffnete ich die Lippen, um eine Entgegnung auszusprechen, so krachten von beiden Seiten viele Schüsse, und zu gleicher Zeit sprengten mehr als fünfzig Reiter rechts und links unter den Bäumen hervor, um uns zu umzingeln.
Das war eine fürchterliche Überraschung! Die sämtlichen Pferde meiner Gefährten waren getroffen und nur das meinige nicht. Ich hatte dies, wie ich später erfuhr, nicht dem Zufall zu verdanken. Die Reiter suchten sich von den Bügeln zu befreien und zu ihren Waffen zu kommen. Wir waren im Nu von allen Seiten umgeben, und grad auf mich zu kamen zwei Reiter, welche ich augenblicklich wieder erkannte: Scheik Gasahl Gaboya und der Bebbeh, mit dem ich während unserer Verfolgung die Friedensunterhaltung geführt hatte.
Man hatte nur auf unsere Pferde geschossen; man wollte uns also lebendig gefangen nehmen. Infolgedessen ließ ich den Stutzen hängen und griff zur schweren Büchse.
„Wurm, jetzt hab' ich dich dich!“ rief der Scheik. „Du entkommst mir nicht wieder!“
Er holte mit der Keule aus, aber in demselben Augenblick sprang Dojan an ihm empor und faßte mit seinen Zähnen den Oberschenkel des Feindes. Dieser stieß einen Laut des Schmerzes aus, und der Hieb, welcher mit gegolten hatte, traf den Kopf meines Pferdes. Es wieherte laut auf, schnellte sich mit allen vieren in die Luft und ließ mir also Zeit, den Bebbeh einen Kolbenschlag auf die Schulter zu versetzen – dann stürmte es davon, vor Schmerz keiner Führung mehr gehorchend.
„Dojan!“ rief ich noch laut hinter mich, denn den braven Hund wollte ich nicht verlieren; dann streckten sich mir vier Lanzenspitzen entgegen; ich schlug sie mit der Büchse von mir
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