14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul
warum wollt ihr diese Bebbeh noch mehr gegen uns erbittern? Sie fühlen sich im Recht gegen uns, weil sie glauben, daß wir Verbündete der Bejat gewesen sind. Sie können es nicht wissen, daß wir einen solchen Raubzug nie gebilligt hätten; sie können es nicht wissen, daß ich dem Khan Heider Mirlam offen in das Gesicht gesagt habe, ich hätte die Bebbeh gewarnt, wenn es mir möglich gewesen wäre; sie haben uns bei Räubern getroffen und behandeln uns als Räuber. Jetzt sind wir ihnen glücklich entkommen, und vielleicht fallen sie von uns ab; wollt ihr sie durch eure Grausamkeit zwingen, uns weiter zu verfolgen?“
„Emir, wir waren ihre Gefangenen; wir müssen uns rächen!“
„Auch ich war Gefangener, öfters als ihr; aber ich habe mich nicht gerächt. Der Raïs von Schohrd, Nedschir-Bey, nahm mich gefangen. Ich befreite mich selbst und verzieh ihm; dann wurde er mein Freund. War das nicht besser, als wenn ich eine Blutschuld zwischen uns gelegt hätte?“
„Emir, du bist ein Christ, und die Christen sind entweder Verräter oder Weiber!“
„Mohammed Emin, sage dies noch einmal, so geht dein Weg von dieser Minute an nach rechst und der meinige nach links. Ich habe nie deinen Glauben geschmäht; warum tust du es mit dem Meinen? Hast du jemals mich oder diesen David Lindsay-Bey als einen Verräter oder ein Weib gesehen? Ich könnte jetzt recht gut den Islam beleidigen; ich könnte sagen: die Moslemim sind undankbar, denn was ein Christ für sie tut, das vergessen sie. Aber ich sage es nicht, denn ich weiß, wenn einer sich einmal von seinem Fleisch hinreißen läßt, so gibt es doch viele, die sich beherrschen können!“
Da sprang er auf und streckte mir beide Hände entgegen.
„Emir, verzeih mir! Mein Bart ist weiß und der deinige noch dunkel, aber obgleich dein Herz jung und warm ist, so hat doch dein Verstand die Reife des Alters. Wir geben dir diesen Mann. Tue mit ihm nach deinem Wohlgefallen!“
„Mohammed, ich danke dir. Ist auch dein Sohn einverstanden?“
„Ich bin es, Effendi“, antwortete Amad el Ghandur.
Nun wandte ich mich erfreut zu dem Gefangenen:
„Du hast uns einmal Lügen gesagt. Willst du mir versprechen, heute mit mir die Wahrheit zu reden?“
„Ich verspreche es!“
„Wenn ich dir jetzt deine Fesseln nehme und du mir versprichst, dennoch nicht zu entfliehen, würdest du dein Wort halten?“
„Herr, ich verspreche es!“
„Nun wohl; diese vier Moslemim haben dir deine Freiheit wieder gegeben. Heute bleibst du noch bei uns, und morgen kannst du gehen, wohin es dir beliebt.“
Ich band seine Hände und Füße los.
„Herr“, sagte er, „ich soll dich nicht belügen, und nun sagst du selbst mir die Unwahrheit.“
„Inwiefern?“
„Du sagst, diese Männer hätten mir die Freiheit gegeben, und das ist nicht wahr. Nur du allein hast sie mir gegeben. Sie wollten mich erst erschießen; dann wollten sie mich peitschen und mir den Schmuck des Gläubigen nehmen; du aber hast dich meiner erbarmt. Ich habe jedes Wort verstanden, denn ich spreche das Arabische ebensogut wie das Kurdische. Und nun weiß ich auch aus deinen Worten, daß ihr den Bejat nicht geholfen habt, sondern Freunde der Bebbeh gewesen seid. Emir, du bist ein Christ; ich habe die Christen gehaßt; heute lerne ich sie besser kennen. Willst du mein Freund und Bruder sein?“
„Ich will!“
„Willst du mir vertrauen und hier bleiben, obgleich morgen eure Verfolger hier eintreffen werden?“
„Ich vertraue dir!“
„Reiche mir deine Hand!“
„Hier ist sie! Aber werden auch meine Gefährten sicher sein?“
„Ein jeder, der zu dir gehört. Du hast kein Lösegeld von mir gefordert; du hast mir erst das Leben und dann die Ehre gerettet; dir und den Deinen soll niemand ein Haar krümmen!“
So waren wir dann auf einmal aller Sorgen ledig! Ich hatte keine Ahnung gehabt, daß dieser Mann auch Arabisch verstand; doch war ich ganz glücklich, diesem Umstand einen solchen Sieg zu verdanken. Zur Feier desselben holte ich den letzten Rest von Tabak hervor, den meine Satteltasche barg; es war nicht viel, aber der duftende Rauch bewirkte dennoch eine Stimmung, welche ganz anders war als die, mit der wir unsere ‚Jury‘ begonnen hatten.
Mit frohem Mut legten wir uns schlafen und hatten dabei sogar die Kühnheit, keine Wachen auszustellen.
Des andern Morgens sah die Sache etwas weniger romantisch aus als gestern abend bei der poetischen Beleuchtung des flackernden Lagerfeuers; aber ich beschloß dennoch,
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