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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Mann hielt ihm den Spiegel vor das Gesicht, und nun war es ganz und gar unmöglich, ohne lautes Lachen das Minenspiel des Gentleman zu sehen. Man denke sich ein langes, schmales, von der Sonne zusammengebratenes Gesicht, von dessen unterer Hälfte ein rötlicher Semmelbart herniedertropfte; den breiten Mund, der jetzt eine Öffnung so groß wie diejenige des Gotthardtunnels besaß; die lange Nase, dreifach vergrößert durch die Aleppobeule, und darüber einen vollständig kahl geschorenen, weiß glänzenden Kopf, auf dessen Scheitelpunkte nur ein einziges Zöpfchen stehen geblieben war. Und dazu das so sehr beredte Mienenspiel! Selbst der Beduine konnte ein Lächeln nicht und ein Lachen kaum bezwingen.
    „Thunder-storm! Abscheulich, teuflisch!“ rief Sir David. „Wo ist mein Revolver? Ich erschieße den Kerl! Ich ersteche ihn, durch und durch!“
    „Ereifert Euch nicht, Sir!“ bat ich. „Dieser gute Mann hatte doch gar keine Ahnung davon, daß Ihr ein Englishman seid. Er hat Euch für einen Moslem gehalten und Euch also nur das Zöpfchen gelassen!“
    „Well! Richtig! Aber diese Physiognomie! Schauderhaft!“
    „Tröstet Euch, Sir. Der Turban wird alles verdecken, und ehe Ihr nach Old England zurückkehrt, ist Euch das Fell wieder gewachsen.“
    „Fell? Oho, Master! Aber warum seht denn Ihr so wohl aus, trotzdem man Euch auch nur den Zopf gelassen hat?“
    „Das liegt in der Rasse, Sir. Dem Deutschen ist es überall zu wohl!“
    „Yes! Richtig! Merke es grad jetzt an Euch. Was kostet die Geschichte?“
    „Ich gebe zehn Piaster.“
    „Zehn Piaster? Seid Ihr toll? Einen Schluck schlechten Kaffees, zwei Züge stinkenden Tabakrauchs und den Kopf verderben – zehn Piaster!“
    „Bedenkt, daß wir wie Wilde aussahen, und – jetzt!“
    „Yes! Wenn Euch jetzt die alte Alwah erblickt, tanzt sie vor Wonne Menuett! Nun fort von hier! Aber wohin?“
    „Eine Wohnung mieten – in irgendeiner Villa draußen vor der Stadt; dieser Beduine wird uns führen. Wir reiten die beiden weißen Esel da draußen.“
    „Well! Schön! Vorwärts!“
    Wir verließen das Kaffeehaus und bestiegen die kleinen, aber sehr kräftigen und ausdauernden Tiere. Meine Beine schleiften beinahe am Boden, und der Engländer hatte seine spitzen Knie grad unter die Achseln einquartiert. Voran rannte der Beduine, mit seinem Knüttel rechts und links schonungslos zuschlagend, wenn jemand in den Weg zu kommen drohte. Dann kamen wir beide Reiter, auf den Eseln hockend, wie der Affe auf dem Kamel, und hinterher die beiden Besitzer der Tiere, unter heiserem Geschrei immer den hinteren Teil der Esel mit dem Stock bearbeitend. So sausten wir durch die Gassen und Gäßchen, bis die Straßen aufhörten und die Häuser seltener wurden. Vor einer hohen Mauer hielt der Beduine still, und wir stiegen ab. Wir standen vor einem schmalen Pförtchen, an das unser Führer mit einem Stein aus allen Kräften klopfte. Es dauerte sehr lange, bis geöffnet wurde; dann sahen wir ein altes, fahles Gesicht erscheinen.
    „Was wollt ihr?“ fragte der Mann.
    „Effendi, dieser Fremdling will mit dir reden“, erklärte der Führer.
    Ein Paar kleine, graue Augen hefteten sich auf mich, dann tat sich der zahnlose Mund auf, und eine zitternde Stimme sagte:
    „Tritt herein, aber nur du allein!“
    „Dieser Emir wird mitkommen“, entgegnete ich, auf den Engländer deutend.
    „Ja, aber nur er, weil er ein Emir ist.“
    Wir traten ein, und die Pforte schloß sich hinter uns. Die dürren Füße des Alten steckten in einem Paar riesiger Pantoffel; so schlurfte er uns voran durch prachtvolle Gartenanlagen, über denen die Fächer der Palmen wankten. Vor einem hübschen Häuschen hielt er still.
    „Was wollt ihr?“ fragte er.
    „Bist du der Besitzer dieses herrlichen Gartens, und hast du eine Wohnung zu vermieten?“
    „Ja. Wollt ihr sie mieten?“
    „Vielleicht. Wir müssen sie aber erst sehen!“
    „So kommt! Burza z piorunami! Wo ist mein Schlüssel!“
    Während er nun in allen Taschen seines Kaftan nach dem Schlüssel suchte, hatte ich Zeit, mich von dem Erstaunen zu erholen, welches ich darüber empfinden mußte, einen alten Türken polnisch fluchen zu hören. Endlich fand er den Vermißten in einer Masche des Fenstergitters stecken und öffnete die Tür.
    „Tretet ein!“
    Wir kamen in einen hübschen Flur, in dessen Hintergrund eine Treppe aufwärts führte. Rechts und links gab es Türen. Der Alte öffnete rechts und schob uns in ein großes Zimmer. Im

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