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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ersten Augenblick glaubte ich, dasselbe sei grün tapeziert, dann aber bemerkte ich, daß von hohen Gestellen ringsum grüne Vorhänge herabhingen, und was diese Vorhänge verbargen, das konnte ich erraten, wenn ich den Blick auf die lange Tafel warf, welche die Mitte des Raumes einnahm: sie war mit Büchern ganz bedeckt, und grad mir gegenüber lag, aufgeschlagen und gar nicht zu verkennen – eine alte Nürnberger Bilderbibel. Mit einem raschen Schritt stand ich dort und legte meine Hand darauf.
    „Die Bibel!“ rief ich deutsch. „Shakespeare, Montesquieu, Rousseau, Schiller, Lord Byron! Wie kommen die hierher?“
    Das waren die Titel nur einiger unter den vielen Werken, welche ich hier liegen sah. Der Alte trat zurück, schlug die Hände zusammen und fragte:
    „Was! Sie reden deutsch?“
    „Wie sie hören!“
    „Sie sind ein Deutscher?“
    „Allerdings. Und Sie?“
    „Ich bin ein Pole. Und der andere Herr?“
    „Ein Engländer. Mein Name ist …“
    „Bitte, jetzt keinen Namen“, unterbrach er mich. „Ehe wir uns nennen, wollen wir uns zuvor selbst kennenlernen.“
    Er klatsche nach orientalischer Sitte in die Hände, was er einige Male wiederholen mußte; dann öffnete sich endlich die Tür, und es erschien eine Gestalt, so dick und fettglänzend, wie ich noch selten eine gesehen hatte.
    „Allah akbar, schon wieder!“ stöhnte es zwischen den Wurstlippen hervor. „Was willst du, Effendi?“
    „Kaffee und Tabak!“
    „Für dich allein?“
    „Für alle.“
    „Viel Bohnen?“
    „Pack dich!“
    „Wallahi, billahi, tallahi, ist das ein Effendi!“
    Mit diesem Stoßseufzer watschelte das unbegreifliche Wesen wieder ab.
    „Wer war dieses Ungetüm?“ fragte ich, vielleicht etwas zudringlich.
    „Mein Diener und Koch.“
    „O wehe!“
    „Ja, er ißt und trinkt das meiste selbst; erst das übrige bekomme ich.“
    „Das ist fast mehr als fatal!“
    „Ich bin es gewohnt. Er war schon mein Diener, als ich noch Offizier war. Sie sehen ihm sein Alter gar nicht an. Er ist nur um ein Jahr jünger als ich.“
    „Sie waren Offizier?“
    „Im Dienst der Türkei.“
    „Und wohnen jetzt in diesem Haus allein?“
    „Allein!“
    Es war über dem alten Mann eine tiefe Schwermut ausgebreitet; er interessierte mich.
    „Sprechen sie vielleicht auch englisch?“
    „Ich lernte es in meiner Jugend.“
    „So lassen Sie uns die Unterhaltung in dieser Sprache führen, damit sich mein Begleiter nicht langweilt!“
    „Gern! Also Sie kommen wirklich, um sich mein Logis anzusehen? Wer hat zu ihnen von mir gesprochen?“
    „Nicht von Ihnen, sondern von Ihrem Haus – der Araber, welcher uns bis zu Ihrer Pforte brachte. Er ist Ihr Nachbar.“
    „Ich kenne ihn nicht; ich bekümmere mich um keinen Menschen. Suchen Sie ein Logis für sich allein?“
    „Nein. Wir gehören zu einer Reisegesellschaft, die aus vier Männern, zwei Damen und einer Dienerin besteht.“
    „Vier Männer – zwei Damen – hm! Das klingt ein klein wenig romantisch!“
    „Ist es auch. Sie werden die Erklärung erhalten, sobald wir uns die Wohnung besehen haben.“
    „Sie hat kaum Platz für so viele – da kommt der Kaffee!“
    Der Dicke erschien wieder, kirschrot im Gesicht. Er balancierte auf den beiden fetten Händen einen großen Präsentierteller, auf dem drei Tassen dampften; daneben lag bei einem alten Tschibuk ein Häufchen Tabak, kaum genug, einmal zu stopfen.
    „Hier“, krächzte er, „hier ist Kaffee für alle!“
    Wir hatten uns auf den Diwan niedergelassen und nahmen ihm das Brett ab, da es ihm unmöglich war, sich zu uns niederzubeugen. Sein Herr hielt die Tasse zuerst an den Mund.
    „Schmeckt's?“ fragte der Dicke.
    „Ja.“
    Der Engländer tat dasselbe.
    „Schmeckt's?“ fragte der Dicke.
    „Fi!“
    Lindsay sprudelte das Spülwasser wieder von sich, und was mich betraf, so setzte ich mein Täßchen ganz einfach wieder weg.
    „Schmeckt's nicht?“ fragte mich der Dicke.
    „Koste ihn selbst!“ antwortete ich.
    „Maschallah, ich trinke keinen solchen!“
    Nun griff unser Wirt zur Pfeife.
    „Es ist ja noch Asche drin!“ tadelte er.
    „Ja, ich habe vorhin daraus geraucht!“ antwortete der Dicke.
    „So hast du sie wieder rein zu machen!“
    „Gib her!“
    Er riß seinem Herrn die Pfeife aus der Hand, klopfte die Asche vor der Tür aus und kam dann wieder zurück.
    „Hier! Nun kannst du stopfen, Effendi!“
    Der Alte gehorchte seinem Diener, mochte aber während des Stopfens sich doch erinnern, daß wir noch

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