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14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul

Titel: 14 - Im Schatten des Grossherrn 03 - Von Bagdad nach Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gar nichts genossen hatten. Aus diesem Grund entschloß er sich, uns das Beste und Seltenste zu bieten, was er besaß, und befahl daher:
    „Hier ist der Kellerschlüssel. Geh hinunter!“
    „Gut, Effendi. Was soll ich holen?“
    „Den Wein.“
    „Den Wein? Allah kerihm! Herr, willst du deine Seele dem Teufel verkaufen? Willst du verdammt sein in den tiefsten Abgrund der Hölle hinunter? Trinke Kaffee oder Wasser! Beides erhält das Auge klar und die Seele fromm; wer aber Scharab (Wein) trinkt, der gerät in das tiefste Elend und Verderben!“
    „Geh!“
    „Effendi, tue es doch wenigstens mir nicht an, dich in den Krallen des Scheïtan zu wissen!“
    „Sei still und gehorche! Es sind noch drei Flaschen unten; diese bringst du alle!“
    „So muß ich gehorchen; aber Allah wird mir verzeihen; ich bin unschuldig an deiner Verdammung.“
    Er schob sich zur Tür hinaus.
    „Ein origineller Geist!“ bemerkte ich.
    „Aber treu, obgleich er die Vorräte nicht schont. Nur über den Wein hat er keine Macht; er erhält den Schlüssel nur dann, wenn ich Wein trinken will, und sobald er die Flasche bringt, muß er den Schlüssel wieder abgeben.“
    „Das ist eine sehr weise Einrichtung, aber …“
    Ich durfte nicht weiter sprechen, denn der Dicke erschien bereits wieder, wie eine Lokomotive pustend. Er hatte je eine der Flaschen unter dem Arm und die dritte in der Rechten. Er bückte sich, so viel es ihm möglich war, und stellte die Flaschen vor die Füße seines Herrn. Ich mußte mich auf die Lippen beißen, um nicht in ein unartiges Gelächter auszubrechen: zwei Flaschen waren vollständig leer, und die dritte war nur kaum noch halb voll. Sein Herr schaute ihm ganz verdutzt in das Gesicht.
    „Ist denn das der Wein?“ fragte er.
    „Die drei letzten Flaschen!“
    „Sie sind ja leer?“
    „Born bosch – völlig leer!“
    „Wer hat den Wein getrunken?“
    „Ich, Effendi.“
    „Bist du verrückt! Mir und meinen werten Gästen jetzt auf einem Zug zwei und eine halbe Flasche Wein auszutrinken!“
    „Jetzt? Auf einem Zuge? O Effendi, das ist nicht wahr, da bin ich unschuldig. Ich habe den Wein gestern, vorgestern, ehegestern und auch schon vor ehegestern getrunken, denn ich wollte alle Tage ein Glas voll haben.“
    „Dieb, Spitzbube, Halunke! Wie bist du denn alle diese Tage in den Keller gekommen? Ich habe ja den Schlüssel Tag und Nacht in der Tasche! Oder hast du mir ihn des Nachts gestohlen, während ich schlief?“
    „Allah 'l Allah! O dieser Effendi! Ich aber sage dir, daß ich auch hieran ganz unschuldig bin!“
    „Aber wie kamst du in den verschlossenen Keller, während ich den Schlüssel doch stets in meiner Tasche hatte?“
    „Effendi, gestehe, ob ich jemals ein Einbrecher gewesen bin! Der Keller war ja gar nicht zu. Ich habe ihn nie verschlossen, wenn du Wein darinnen hattest!“
    „Trzaskawica! Gut, daß ich das erfahre!“
    „Herr, das Fluchen in einer fremden Sprache macht es nicht besser. Du hast ja für dich und deine Gäste hier noch Wein genug!“
    Der Alte nahm die Flasche und hielt sie gegen das Licht.
    „Wie sieht denn dieser Wein aus, he?“
    „Effendi, er wird dir nicht gefährlich sein! Es war nur noch ein halbes Gläschen darin, und weil dies für drei Männer nicht reicht, so habe ich Wasser dazu geschüttet!“
    „Wasser? Oh! Da – da hast du dein Wasser!“
    Er holte aus und warf die Flasche nach dem Kopf des Dicken; dieser aber bückte sich schneller, als man es ihm hätte zutrauen mögen, und die Flasche flog über ihn hinweg und an die Tür, so daß sie in Scherben zersplitterte und ihren Inhalt auf den Boden ergoß. Da schlug der Diener bedauernd die fetten Hände zusammen und rief:
    „Um Allahs willen, was tust du, Effendi! Nun ist das schöne Wasser fort, welches man recht gut als Wein trinken konnte! Und diese Scherben! Die mußt du selbst auflesen, denn ich kann mich unmöglich so weit bücken.“
    Damit trampelte er zur Tür hinaus.
    Das war eine Szene, die ich für unmöglich gehalten hätte, wenn ich nicht selbst Augenzeuge derselben gewesen wäre. Und was mich am meisten wunderte, das war, daß der Effendi bereits gleich nach dem verunglückten Wurf seinen Gleichmut wiedergewonnen hatte. Diese so ganz ungewöhnliche und außerordentliche Nachsicht eines Herrn gegen einen dumm-dreisten, anmaßenden Diener mußte unbedingt eine tief liegende Ursache haben. Der Effendi war mir ein Rätsel, welches zu lösen ich mir bereits vorzunehmen begann.
    „Verzeiht, ihr

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