140 - Im Land der Feuerdrachen
auf seinen Pilotensitz. Ohne sich noch einmal umzuschauen, fuhr er die Triebwerke hoch und brachte den Gleiter auf Kurs.
Matt und Dave sahen ihm von der Halle aus schweigend nach, bis sie aus den Augenwinkeln zögernd Blickkontakt aufnahmen. Dabei entdeckte jeder die Verwirrung, die er selbst spürte, auch im Gesicht des anderen.
»Ist ja ein richtiger Schwätzer geworden«, fasste Dave seine Gefühle als erster zusammen. »Da wird mir richtig warm ums Herz.«
Matt mochte sich seine Enttäuschung nicht ganz so deutlich anmerken lassen, obwohl es ihn schon wunderte, dass sich Aiko nicht einmal im Ansatz nach Aruulas Verbleib erkundigt hatte. »Na ja, im Prinzip hat er natürlich Recht. Im Kampf gegen die Daa’muren zählt jede Minute.«
Dave antwortete mit einem verächtlichen Schnaufen, bevor er den Mittelsteg seiner Brille mit dem Mittelfinger zurückschob. »Ist doch Quark«, bekräftigte er. »Als ob seine Kleine die Kiste nicht alleine steuern könnte. Ich meine, mir ist es egal. Ich hatte nie viel mit Tsuyoshi zu tun. Aber Aruula und du seid doch ziemlich lange mit ihm durch die Gegend gezogen.«
Der schmale Durchgang zum Cockpit verdunkelte sich.
Honeybutt war aufgestanden und kam zu ihnen nach hinten. Ihr Erscheinen bewahrte Matt zum Glück davor, auf Daves Ausführungen antworten zu müssen.
»Hallo ihr beiden! Schön, dass ihr es geschafft habt.« Beide Hände zu einer umarmenden Geste erhoben, kam die Afro-Meerakanerin näher. Plötzlich stemmte sie jedoch die Hände in die Hüften und sah sie missbilligend an. »Aber sagt mal – wo habt ihr eigentlich Aruula gelassen?«
***
Ruinen von Tokio, knapp eine halbe Stunde später
Schon lange bevor der erste schneebedeckte japanische Berggipfel in Sichtweite kam, ordnete Naoki den Tiefflug an.
Nur einen Meter über der Meeresoberfläche jagte die weit auseinander gezogene Gleiterstaffel weiter, hohe Wellen hinter sich lassend.
Mit diesem Manöver hoffte die schlanke Asiatin mit dem künstlichen Arm, die ihr lackschwarzes Haar zur Abwechslung mal wieder offen trug, einer vorzeitigen Entdeckung durch die Daa’muren zu entgehen. Solange keine Todesrochen über Nipoo auftauchten, mochte diese Rechnung auch aufgehen.
Ihren weißen Kittel, den sie in Amarillo bevorzugte, hatte Naoki gegen eine lederne, etwas barbarisch anmutende Kluft getauscht. Der klobige Handschuh, der ihr bis zum rechten Ellenbogen reichte, diente aber zu mehr als nur der Abwehr eines Schwertstreiches. Während des Aufstandes der Androidenfraktion hatte er ihr bereits gute Dienste geleistet. Er enthielt einiges an nützlicher Ortungs- und Funkelektronik, sowie die Möglichkeit, lähmende Energiestöße auszusenden.
»Wir erreichen bald eine Bucht, in der viele Schiffe ankern«, meldete Blair, die schon den ganzen Flug über am Fenster klebte und mit großen Augen die vorbeihuschende Landschaft beobachtete.
Es war nicht ihre erste Gleiterreise, doch die Geschwindigkeit, mit der sie sich fortbewegte, schien noch nichts an Faszination eingebüßt zu haben. Ganz genau ließ sich das nicht beurteilen, weil die Nosfera ständig eine tief ins Gesicht gezogene Kapuze trug, um sich vor Sonnenlicht zu schützen.
Ganz wohl war Naoki nicht dabei, die Mutantin auf diese Reise mitzunehmen, obwohl sie Aiko in geradezu höriger Weise treu war. Blair in der Obhut des reduzierten Stabes von Amarillo zurückzulassen, schien aber noch ungeschickter zu sein, also hatte sie der Nosfera den Copilotensitz zugewiesen.
»Das ist die Bucht von Tokio«, erklärte Naoki, als sie die zangenförmig vorstoßenden Landzungen passierten.
»Normalerweise gibt es hier nicht so viel Schiffsverkehr, aber wie es scheint, ist die Evakuierung bereits in vollem Gange.«
Die leeren Decks straften ihre Vermutung allerdings Lügen.
Achtzehn größere und kleinere Schiffe ankerten vor dem primitiven Holzsteg.
Zumeist einfache Dschunken, aber auch eine Handvoll Dampfer. Insgesamt jedoch viel zu wenig, um all die Menschen aufzunehmen, die noch auf Nipoo wohnten.
Selbst mit den Schiffen auf See, die sie in den letzten Stunden überholt hatten, würden sie jeden Quadratmeter freien Laderaum benötigen, um wirklich alle unterzubringen.
Alleine die bunte Menge, die zwischen den bis auf die Grundmauern nieder gebrochenen Ruinen herumwuselte, passte kaum auf die Boote und in die Gleiter. Und aus den umliegenden Gebieten nahten noch weitere Flüchtlingsströme.
Die Situation an den Kaimauern war dabei einigermaßen
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