140 - Kastell der namenlosen Schrecken
waren nichts anderes als Diener bei Schwarzen Messen und bei Orgien. Jeder Tod stärkte die Dämonen, und je stärker sie wurden, desto mehr brauchten sie wirkliches Leben und das Blut, das wirkliche Wesen eines unschuldigen Opfers.
Da es weniger Opfer gab (und über weite Jahre hinweg kein einziges menschliches Beutestück), starben einige der Dämonenkörper an Auszehrung. Ihr boshafter Geist wechselte über in die Wesenheiten der Stärkeren, Klügeren.
Eine Handvoll Hexer wanderte weg. Es waren jene, die noch am meisten den Menschen ähnlich waren.
„Ich weiß, daß einige sich besonders hervortaten als Henker und Schinder bei Hexenprozessen", sagte Roquette. „Aber mehr als Gerüchte hörte ich nicht auf meinen nächtlichen Streifzügen. Ich habe gesehen, wie meine Eltern starben; sie ahnten nicht einmal, daß ich geraubt worden bin. Auch mein Freund, der Mann, mit dem ich Kinder haben wollte, ging dahin, voller Trauer um Roquette." Dorian Hunter senkte den Kopf.
Er kannte solche Geschichten zur Genüge. Aber es war etwas anderes, wenn sie von einer Überlebenden berichtet wurden.
„Du weißt, daß ich gegen Dämonen kämpfe", sagte er fast flüsternd.
„Das ahnte ich. Und heute nacht hast du es mir bestätigt."
„Um sie töten und die Menschen vor ihnen befreien zu können, muß ich alles über sie wissen", meinte er.
„Ich halte nichts zurück."
„Meine Fragen haben nicht den Sinn, dir neue Schmerzen der Erinnerungen zuzufügen."
Sie lachte kurz, ohne daß ihre Augen den Ausdruck veränderten. „Es gibt, ich sage es dir noch einmal, keinen Schmerz, den ich nicht kenne."
„Ich verstehe."
Aus mehr als fünf Dutzenden Dämonen wurden im Lauf einer langen Zeit dreizehn. Roquette blieb das Spielzeug von Dorsan de Darboussiere. Er verwendete sie als Medium und als Gehilfin bei Schwarzen Zaubern. Mehr als sie anzutasten, wagte keiner seiner schaurigen Schar. Trank er ihr Blut, so versenkte er sie vorher in tiefe Bewußtlosigkeit und öffnete ihre Adern. Rätselhaft war die Scheu, die ihn zurückhielt.
Später wußte sie, warum er so und nicht anders handelte.
Sie, Roquette, war die einzige Möglichkeit für Dorsan, zu überleben. Das dachte er jedenfalls in diesen Jahren, in denen sich das kleine Reich der Dämonen aufzulösen schien. Die Macht schrumpfte zusammen, und schließlich gab es nur noch den Grafen, zwölf Mischwesen aus Dämon und Mensch. Und Roquette.
Aus dämonischen Schriften lernte sie zu lesen. Sie schrieb mit magischer Tinte und versuchte mit ihrem Herrn, Opfer herbeizubeschwören.
Manchmal glückte es, manchmal nicht.
So schleppte sich der Rest der einst prächtigen Herrschaft im Kastell dahin, von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr.
Vorbei die glühenden Essen mit ihren weißglühenden Eisen. Vorbei die Verliese, in denen die Opfer an die Mauern geschmiedet waren. Vorbei auch die tyrannische Herrschaft über das Land ringsum. Einen Aufschub gab es, als abermals ein Schiff kenterte, auf magische Weise in einer Gewitternacht auf die schroffen Uferfelsen gelockt. Drei Dutzend Seeleute, eine Handvoll Frauen unter den Passagieren - für kurze Zeit füllten sich die Verliese. Aber auch diese Opfer starben nacheinander, und einigen gelang die Flucht.
„Ich habe ihnen gesagt", erklärte Roquette, „was sie tun müssen. Sie schafften es."
„Und es gab keinen Weg für dich, erlöst zu werden?"
„Nein. Noch nicht. Erst viel später."
Dorian blickte auf die Uhr. Draußen hörte er den Wagen, den Jean-Jacques steuerte. Er sagte schließlich: „In einer halben Stunde gibt es Abendessen. Ich hole dich. Denke daran, was du tun mußt. Die Menschen heute kennen diese einsamen Talschlünde des Grauens nicht mehr. Sie
wissen,
daß es
keine
Dämonen gibt. Erschrecken wir sie nicht mit Wahrheiten, die sie nicht begreifen."
Sie nickte kurz.
„Ich weiß, was du willst. Und ich werde dir heute nacht helfen. Vielleicht nützt dir mein Rat." „Darüber reden wir später."
Roquette kam auf ihn zu, faßte sein Gesicht mit beiden Händen und küßte Dorian lange und hungrig. Dann trat sie einen Schritt zurück, knöpfte die Bluse auf und ließ den Rock fallen. Heiser sagte sie, die Arme um seinen Hals: „Du mußt mich lieben, jetzt gleich. Dann werden wir heute um Mitternacht ein unbesiegbares Paar sein."
Dorian erwiderte ihren Kuß, hob sie hoch und trug sie zum Bett. Die Leidenschaft ihrer Körper ließ Dorian das Seltsame und Einmalige ihrer Begegnung vergessen. Während sie miteinander
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