1400 - Die Templerbraut
getroffen worden war. Der Wagen geriet aus der Spur. Er wurde zu einem Spielball, der mit seinen Reifen über den Asphalt schrammte und auch schleuderte. Der Clio rauschte von einer Seite zur anderen. Sophia hatte die Kontrolle über das Fahrzeug verloren. Sie bemühte sich, den Clio auf der Bahn zu halten.
Der nächste Stoß!
Hart, wuchtig. Härter als der erste.
Der Clio bockte. Bleck wurde eingedrückt, was von entsprechenden Geräusche begleitet wurde. Die Angst schnellte noch stärker in ihr hoch. Panikhaft drückte Sophia auf das Gaspedal, und der kleinen Clio machte tatsächlich einen Satz nach vorn. Er kam wieder frei. Er wurde sogar schnell, und es entstand ein Abstand zwischen ihm und dem Verfolger.
Dass Sophia den Schalter für das Fernlicht berührte, war einfach nur Zufall. Plötzlich wurde es vor ihr hell. Sie sah mehr von der Landschaft, und sie sah auch an der linken Seite eine steile Wand in die Höhe ragen. Rechts gab es nichts. Es sah nach einem Abgrund aus, und durch ihren Kopf schoss eine verzweifelte Idee.
Dabei hatte sie den Eindruck, dass nicht ihr dieser Gedanken gekommen war, sondern eine anderen Person, die irgendwo in einer anderen Welt lauerte.
Sophia fühlte sich wie fremdbestimmt, und sie tat das, was man ihr ›sagte‹.
Sie fuhr auf den Abgrund oder den Hang an der rechten Seite zu.
Dabei hörte sie den lauten Motor des anderen Fahrzeugs, das sehr schnell näher kam.
Noch ein Rammstoß, dann würde der kleine Clio von der Fahrbahn gefegt werden und in der Tiefe landen.
Im letzten Augenblick riss Sophia das Lenkrad nach links. Sie nahm wahr, dass ihr Clio rutschte, dann riss sie das Steuer wieder herum und registrierte, dass das grelle Licht des Verfolgerautos nicht mehr in ihren Wagen drang. Sie entdeckte es für einen Moment an der anderen Seite, dann aber war es verschwunden, weil es in die Tiefe glitt.
Sie bremste.
Genau noch im richtigen Moment, bevor der Clio gegen die Felswand geprallt wäre. Was sie dann tat, kam ihr wieder wie fremdbestimmt vor. Sie schnallte sich los, verließ den Clio, stieg aus und tat dies alles wie unter Trance.
Erst als sie die kalte Nachtluft erwischte, kam sie wieder zu sich.
Sie zitterte am ganzen Körper und hätte sich am liebsten lang auf die Straße gelegt, um zu schreien.
Sie tat es nicht. Stattdessen ging sie bis an den Rand der Straße.
Von dort aus hörte sie auch die Geräusche. Die klangen allerdings bereits aus einer gewissen Tiefe zu ihr hoch.
Sie hörte das Krachen und Splittern, das Brechen irgendwelcher Teile, und sie erkannte den tanzenden Schatten, der sich hoppelnd nach unten bewegte.
Es war ein sehr steiler Weg. Beleuchtet wurde er von einem Scheinwerfer, denn einen zweiten gab es nicht mehr. Sophia kam der nach unten rutschende Wagen vor wie ein riesiges Insekt, das mit unförmigen Beinen lief.
Zwei Sekunden später erhöhte sich das Krachen. Der Wagen war nach vorn gekippt und dabei über einen Rand hinweggerutscht. Er machte sich selbstständig, er flog hinab, er schlug auf, und Sophia wartete darauf, dass er sich in den nächsten Sekunden in einen Feuerball verwandeln würde.
Genau das trat ein!
Sophia stand am Rand der Straße und war einfach fasziniert. Tief unter ihr veränderte sich die Umgebung. Die Dunkelheit zerriss, ein Ball aus Feuer stieg in die Höhe. Schwarzer Rauch kroch hinterher, der die Umgebung verdunkelte, aber sie sah die beiden Gestalten trotzdem noch, die sich torkelnd aus der unmittelbaren Gefahrenzone entfernten.
Oder gaukelten ihr die Schatten etwas vor?
Da unten lief ein schon irreales Drama ab, und sie stand hier als einsame Zuschauerin und hörte das Echos eines gewaltigen Knalls, als der Wagen oder dessen Trümmer zusätzlich noch in die Luft flogen. Die Flammen bäumten sich noch mal hoch. Sie leckten mit ihren langen Armen in die Dunkelheit, und aus ihnen lösten sich glühende Wrackteile, die ebenfalls in die Höhe gewuchtet worden waren.
Obwohl der Wagen sehr tief gerutscht war, bekam sie noch einen Wärmestoß zu spüren, der sie zurückzucken ließ. Zwei Schritte weit ging sie nach hinten, drehte sich um und stellte während der Bewegung fest, dass ihr übel und schwindlig wurde.
Zum Glück stand ihr Wagen in der Nähe. Er diente ihr als Stütze, die sie jetzt so nötig hatte wie nie zuvor…
***
Sophia war nichts passiert. Sie hätte jubeln und aufatmen können, nur war sie dazu nicht mehr in der Lage. Sie hatte sich wieder in den Clio setzen und weiterfahren können.
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