1402 - Das Vampir-Puzzle
sollte.
»Nein!«
Justine hatte schon verstanden. Aber sie war nicht bereit, sich von Saladin Vorschriften machen zu lassen, und erklärte deshalb: »Du hast mich reingelegt, du Hundesohn. Du hast mir Hexenblut zu trinken gegeben. Ich habe den bitteren Geschmack im Mund gespürt, und ich kann mir vorstellen, dass du mich vergiften wolltest. Aber das läuft nicht. Hier habe noch immer ich das Sagen, und ich weiß auch, dass in deinen Adern Blut fließ, und zwar das eines Menschen.«
»Oh, verstehe. Du willst mich also leer saugen. Du willst dich an meinem Blut sättigen.«
»Ich spiele mit dem Gedanken. Und ich werde es tun, wenn wir uns nicht einigen können. Es liegt einzig und allein an dir.« Es waren keine leeren Worthülsen. Sie war fest entschlossen, ihren Durst zu stillen – und Saladin als Vampir zu erleben, das war etwas ganz Neues. Sie musste zugeben, dass ihr der Gedanke gefiel.
Es war nicht nur die Sucht, die sie dazu trieb. Sie wollte auch die Demütigung wieder wettmachen, die sie erlitten hatte. Das musste sie einfach sich selbst gegenüber beweisen, und ihr Blick sprach Bände. Sie wollte das Blut haben, sie fixierte den Hals des Hypnotiseurs, der so glatt aus dem Ausschnitt der Jacke hervorwuchs. Aber sie merkte auch, dass es nicht leicht sein würde, denn Saladin war gewarnt. Er konzentrierte sich auf ihren Angriff. Dabei wich er nicht einmal zurück, sondern schaute sie nur an.
Justine wusste, was da ablaufen sollte. Saladin brauchte keine Waffen, um sich zu wehren. Seine Waffe war seine Begabung. Es waren die Augen und deren Blick.
Er schaute sie an!
Es dauerte nur Bruchteile von Sekunden, und Justine entdeckte die Veränderung in seinem Blick. Er war jetzt bereit, ihr seinen Willen aufzuzwingen.
Sie senkte den Kopf, stieß sich ab – und sprang auf ihn zu. Justine verließ sich auf ihre Kräfte, die wesentlich stärker waren als die eines Menschen. Sie wusste verdammt gut, was sie tat, und sie hatte schon oft bewiesen, dass ihr von der Kraft her kein Mensch gewachsen war.
Und wenn sie Saladin zerschmetterte und seinen Schädel so oft gegen die Wand schlug, dass er starb, es war ihr in diesen Moment alles egal.
Deshalb sprang sie – und fasste ins Leere!
Saladin war verschwunden!
***
Justine Cavallo schrie erst auf, als sie gegen die Wand prallte, wo ein kleines Bild hing, das von ihr herabgerissen wurde und von der Wand rutschte. Es landete am Boden. Das Glas zerbrach. Einige Splitter trafen Justine, aber es war kein Schrei des Schmerzes, den die Blutsaugerin ausstieß, sondern eine Reaktion auf ihre Enttäuschung.
Sie war in die Knie gesunken und jaulte auf. Die Wut stieg wie eine lodernde Flamme bis hoch in ihren Kopf. Dass Saladin so schnell verschwinden konnte, das hätte sie nie gedacht.
Aus ihrer Kehle drang ein heulendes Geräusch. Sie trommelte mit beiden Fäusten auf die Bohlen, drehte noch ein paar Mal den Kopf, bis sie sicher war, dass Saladin sich tatsächlich in Luft aufgelöst hatte.
Langsam kam sie wieder hoch. In ihrer Kehle entstand ein Knurren. Die Lippen waren in die Breite gezogen und halb geöffnet. Sie war noch immer zum Biss bereit, aber in ihrer unmittelbaren Nähe gab es kein Opfer. Nur Rita hockte am Boden und starrte vor sich hin.
Justine glaubte nicht daran, dass der Hypnotiseur ganz verschwunden war. Das war hier sein Spiel, und er hatte vor, sie an seiner lange Leine laufen zu lassen. Er konnte erscheinen, wann immer er wollte. Genau das passte ihr nicht. Unter Beobachtung zu stehen und nichts dagegen unternehmen zu können, das löste bei ihr für einen weiteren Wutanfall aus, an dem sie beinahe erstickte.
Was hatte er gesagt?
Er war nicht allein gekommen. Er hatte Dracula II mitgebracht, der sich eine Etage tiefer aufhielt. Justine wusste nicht, ob sie es glauben sollte. Sie würde sich schon selbst überzeugen müssen. Zuvor aber wollte sie den Rücken frei haben und dachte dabei an Rita. Vielleicht war Saladin sogar in der Lage, ihr aus dem Unsichtbaren Befehle zu erteilen.
Neben ihr blieb sie stehen.
Wäre Rita normal gewesen, hätte sie ihren Blick auf Justine gerichtet. Aber sie war nicht normal. Sie hockte am Boden und berührte mit dem Rücken die Wand. Ihr Blick ging ins Leere, und sie reagierte nicht, als Justine sie ansprach.
»Hoch mit dir!«
Rita blieb sitzen.
Die blonde Bestie war es leid. Ihre Finger krallten sich in die nackte Schulter der Hexe. Mit einem Ruck zerrte sie Rita in die Höhe.
Auf wackligen Beinen blieb die
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