1402 - Die Drachenwelt
Loch schien nur ein kompakter Eisklumpen zu liegen.
Die Akonin konzentrierte sich darauf, eventuell noch ablaufende molekularenergetische Prozesse im Zentralnervensystem des Toten aufzuspüren und aus ihnen eine fragmentarische Vision des Geschehens zu extrahieren, die zu seinem Tode geführt hatte.
Ihr Bewußtsein zuckte im selben Moment heftig zurück.
Denn sie hatte vor ihrem träumenden geistigen Auge eine Ballung von Finsternis gesehen und darin drei leere Augenhöhlen.
Die Toten Augen von Bugaklis!
Mit einem Schrei erwachte Iruna von Bass-Teth aus dem Zerotraum. Verstört und desorientiert blickte sie umher, bis ihr aufging, daß sie sich in ihrer eigenen Kabine an Bord der KARMINA befand. „Die Toten Augen von Bugaklis!" flüsterte sie, aber dann schüttelte sie energisch den Kopf. „Ich steigere mich in etwas hinein, das überhaupt keinen Realitätsbezug hat. Nur weil ein sterbender Kartanin etwas von Toten Augen gestammelt hat, verfolgt mich dieser Fieberwahn schon bis in den Zerotraum."
Sie schwang sich aus dem Bett, zog sich aus und ging in die Hygienezelle, um zu duschen. Anschließend zog sie frische Unterkleidung an, streifte die leichte Bordkombination darüber und tastete sich am Versorgungsautomaten eine Tasse Kaffee.
Während sie den schwarzen, gesüßten Kaffee in kleinen Schlucken trank, überdachte sie noch einmal ihr Zerotraum-Erlebnis. Danach hatte sie ihre Ansicht über die Toten Augen keineswegs geändert. Sie hielt diese Aussage auch weiterhin für irreale Phantastereien eines Sterbenden.
Dennoch vermochte diese Erklärung sie nicht zu befriedigen, denn sie erklärte nicht alles.
Noch immer wußte sie nicht, warum sie es nicht geschafft hatte, im Zerotraum ins Bergland südlich des Äquators zu gehen.
Als Zeroträumerin hatte sie noch nie materielle Hindernisse gekannt, denn für den bloßen Geist gab es keine undurchdringliche Materie, egal, ob im Aggregatzustand der Masse oder der Energie.
Ob Tote Augen oder nicht, irgendein Geheimnis barg diese Sturmwelt.
Das Summen ihres Armbandtelekoms unterbrach diese Überlegungen. Sie schaltete es ein und sah auf der Bildscheibe Tifflors Gesicht. „Sie sind zurück", sagte Tifflor.
Mehr war nicht nötig.
Iruna wußte, daß damit Atlan, Perry und die beiden Teleporter gemeint waren.
Nach einem Blick in den Spiegel verließ sie ihre Kabine und ging in die Zentrale.
Atlan, Rhodan, Ras und Gucky standen in der Mitte - und zwischen ihnen standen zwei hominide Lebewesen in primitiver Kleidung.
Hauri! durchfuhr es die Akonin beim Anblick ihrer Gesichter. Warum habe ich das nicht gespürt? Ich kann zwar keinen Hauri per Pedotransferierung übernehmen, aber ich hätte spüren müssen, daß sich Hauri auf Bugaklis aufhalten.
Irgend etwas stimmt hier also doch nicht!
Sie ließ sich ihre Gedanken jedoch nicht anmerken. „Verfroren seht ihr aus", sagte sie statt dessen zu Atlan und seinen Begleitern. „Verfroren und mit Sand bestreut."
Ras Tschubai nieste schallend, dann meinte er trocken: „Das ist nicht die Welt, auf der ich meinen nächsten Urlaub verbringen werde."
Atlan schmunzelte, wurde aber gleich wieder ernst und erklärte, während er auf die beiden Hauri deutete: „Das sind Roq Rahee und Qon Shutre, unsere Freunde." Er sprach Hangoll. „Wir pflückten sie aus einem haurischen Wüstenschiffsverband, der alles daransetzte, uns den Garaus zu machen. Es handelte sich um ein Mißverständnis. Die Hauri hielten uns für kartanische Sklavenjäger."
Iruna nickte. Sie hatte die Hauri rasch, unauffällig und mit der Gründlichkeit studiert, die sie sich als frühere Spitzenagentin des akonischen Energiekommandos angeeignet hatte - und sie stufte die Fremden als rauhe und offene Burschen ein, denen Heimtücke unbekannt war. Allein ihre Augen verrieten Iruna viel über sie, so auch, daß sie keine Fanatiker waren und deshalb keine Anbeter des Hexameron sein konnten. „Ich bin Iruna von Bass-Teth", sagte sie und neigte grüßend den Kopf. „Iruna genügt. Die Söhne der Wüste sind uns willkommen."
Der Hauri, der von Atlan als Roq Rahee vorgestellt worden war, neigte den Kopf in ihre Richtung und sagte mit volltönender, tiefer Stimme: „Tronahae, so nennen wir uns, Blume der Wüste. Aber woher wußtest du das?"
„Tronahae?" wiederholte Iruna.
Erst dann wurde ihr bewußt, daß sie genau dieses Wort gebraucht hatte, denn „Söhne der Wüste" hieß auf hangoll „Tronahae". „Ich wußte es nicht", erwiderte sie. „Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher