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konnte aber keine senkrechten Linien ziehen.»
Für die berufsbegleitende Weiterbildung «Organisator mit eidgenössischem Fachausweis» hat Beatrice Hinder hart gearbeitet. Das Spektrum war breit: Rhetorik, Sitzungstechnik, Projektmanagement. «Ich kann vieles anwenden, drücke mich klarer aus, gehe vorbereiteter in eine Besprechung, kann den Chef besser unterstützen, bei einer Reorganisation zum Beispiel die Abläufe überprüfen: Wo lässt sich Zeit einsparen, wo Geld? Für mich war die Ausbildung ein Gewinn – auch für die Rega.»
Was bedeutet die Reorganisation für die Abteilung Helikopter? «Heute hat der Chefpilot einen Crew-Trainingsmanager mit Assistentin. Zu ihrem Team gehören auch Fluglehrer. Alles ist klarer aufgeteilt, besser. Wir haben neu zwei Bereiche: ‹Heli Verfahren und Training› und ‹Heli Einsatz›. Im ersten Bereich zum Beispiel legt der Chefpilot zusammen mit der Flugschule fest, wie ein Pilot ausgebildet werden muss, bis er einen Einsatz fliegen kann. Im zweiten Bereich geht es dann um Einsatzleitung, Einsatzpläne und so fort. Heute sind wir mindestens zu dritt auf dem Sekretariat. Im Moment wird grad die ‹Bibel› neu geschrieben, das ‹Flight Operations Manual›. Das dauert etwa ein Jahr, ich kann zwar inhaltlich nicht mitreden, aber formal, strukturell, organisatorisch helfen, die Sache möglichst reibungslos zu Ende zu bringen.»
22 Jahre – die Arbeit ist und bleibt interessant. Kaum ist ein Projekt abgeschlossen, kommt ein neues. Nach der Agusta A 109 K2 die Einführung des Eurocopters, zuletzt der AgustaWestland Da Vinci. Anfang 2011 die Reorganisation mit neuem Organigramm. Das Projekt Helikopter-Simulator ist aufgegleist. Der Flug nach Instrumenten (Instrument Flight Rules) etabliert: «Früher stieg man in die Alouette, einer schaute rechts raus, der andere links. War es neblig, blieb man am Boden.»
Hat die Helikopter-Crew Kontakt mit den Jet-Kollegen? «Überhaupt nicht, das ist unglaublich. Ich habe schon eine Sitzung der Jet-Abteilung protokolliert – aber rein nichts verstanden. Die Jets sind noch komplizierter. Es gibt dort auch kein Pendant zu meiner Stelle. Wir haben für die Helikopter zwölf Basen, die Jet-Leute hingegen sitzen alle hier im Rega-Center. Wir haben viele Spezialitäten, die nur die Rega bietet, nur die Rega ausbildet. Etwa dreissig verschiedene Rettungssituationen: von der Gletscherspalte bis zur Seilbahnevakuation. Es gibt neue Sportarten, Eisklettern zum Beispiel. Chefpilot und Crew-Trainingsmanager überlegen sich dann, wie eine solche Rettung zu bewerkstelligen ist. Die Fluglehrer testen das Manöver, legen die Regeln fest, konzipieren die Ausbildung. Wir holen terrestrische Spezialisten für schwierige Bergungen. Wir sind ein einmaliger Betrieb.»
Charismatische Erzählerin mit Altstimme. Beatrice Hinder redet sich ins Feuer und berichtet von ihrer Arbeit, als erzähle sie ein wundersames Märchen. Sie führt auch ausserhalb der Rega ein reiches Leben. Lässt sich mit Yoga auf den Tag ein. Ist begeistert auf dem Velo unterwegs: der Aare nach, über den Gotthard, über den Oberalp, der Rhone entlang. Vor vier Jahren trennte sich Beatrice Hinder von ihrem Döschwo; die Reparaturen wären horrend geworden. Ihr Partner malte ihr zum Trost ein Modell auf die Hauswand. Der Döschwoklub ist in den vielen Jahren zu einer Art Familie geworden. Ist das Heimweh nach dem Auto zu gross, verzichtet sie aufs traditionelle Pfingsttreffen. Der Ornithologische Verein Schlieren ist mit weniger Emotionen verbunden. Ab und zu ein Vortrag oder Drei-Abende-Kurs. Klar, Feldstecher und Vogelbuch gehören zum Feriengepäck. Hat Beatrice Hinder ein Lebensmotto? «Jedem Tag die Chance geben, der schönste zu sein. Auch wenn es nicht rundläuft, versuche ich, das Gute zu sehen. Das hilft mir über schwierigere Zeiten.»
Beatrice Hinder hat gut zwei Jahrzehnte Rega-Geschichte miterlebt, das prächtige Domizil an der Mainaustrasse im Zürcher Seefeld, nah beim See, rundherum Restaurants, Läden. Die Aussiedelung der Helikopter-Belegschaft in ein einsam gelegenes Provisorium, eine unbenutzte Holzbaracke des Militärs am Flughafen Zürich. «Es kam vor, dass ich eine Woche lang keine Menschenseele sah.»
Schliesslich der Umzug ins neue Rega-Center. Sie schätzt es, mit allen Mitarbeitenden unter einem Dach zu sein, mit einer Frage, einem Papier das Büro wechseln zu können und ein Gesicht vor sich zu haben. «Auch wenn ich ab und zu ein Gerücht mehr höre, als
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