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Fatigue-Risk-Management. Die Probanden der Crews tragen ein Gerät am Handgelenk, das Informationen registriert, zum Beispiel, wie aktiv jemand ist.
Weshalb machen Sie das?
Weil wir, um Ausnahmebewilligungen zu bekommen, beweisen müssen, dass unsere längeren Flugzeiten sicher sind. Die Schweiz übernimmt 2012 neues internationales Luftrecht und damit auch eine neue Arbeitszeitregelung. Weil wir mehr arbeiten als international vorgesehen, und in Extremfällen sicher an die Grenzen gehen, brauchen wir ein griffiges Management für Risiken infolge Übermüdung. Wenn wir nachweisen können, dass es sicher ist, dürfen wir länger fliegen als eine normale Airline. Wir hatten im Jet-Betrieb noch nie einen Unfall und arbeiten daran, dass es so bleibt.
Fliegt die Rega in politisch instabile Länder?
Nach seriösen Abklärungen, etwa mit der Swiss und dem EDA, dem Departement des Äusseren. Aufgrund unseres transparenten Sicherheitskonzepts sind unsere Dienstleistungen auch international gefragt.
Wie oft fliegt die Rega vergeblich?
Selten. Es sind meist Suchaktionen, bei denen man nicht genau weiss, wo suchen. Trotz allen Bemühungen kommen wir hin und wieder zu spät. Doch für die Angehörigen ist es tröstlich, zu wissen, dass das Menschenmögliche unternommen wurde.
Ich meine «vergeblich» wie 1978 bei der Gasexplosion auf einem Zeltplatz in Spanien, als die gecharterte DC-9 leer zurückkehrte, weil man das Ausmass der Katastrophe zu wenig abschätzen konnte, die Verbrennungsopfer nicht transportfähig waren.
Solche Einsätze gibt es nicht mehr oder höchst selten. Vielleicht wird ein Patient als transportfähig eingestuft, weil das lokale Spital die Verantwortung nicht mehr tragen kann oder will. Und bei der Ankunft stellt unser Team fest: Der Patient wird einen Transport nicht überleben oder das Risiko ist einfach zu gross.
Im Range eines Obersten der Luftwaffe waren Sie jahrelang in leitender Stellung tätig. Führen Sie militärisch?
Was unterscheidet zivile und militärische Führung? Basisdemokratisch kann man nicht führen. Die Leute mögen es, wenn der Chef weiss, was er will. Wenn sie wissen, was sie an ihm haben. Dass sie sich in stürmischen Zeiten auf ihn verlassen können. Dass er Interessen gegen oben, aber auch gegen unten vertritt. Führung bedeutet Verantwortung übernehmen für alles, was hier gemacht wird. Mir ist wichtig, dass die Mitarbeiterin, der Mitarbeiter mir vertrauen kann. Dass er weiss, ich vertraue auch ihm. Schliesslich bedeutet Führen auch Vorbild sein. Das versuche ich ein Leben lang. Vorbild sein heisst auch etwas gern machen, mit Engagement und Herzblut.
Manche sagen, Sie seien unnachgiebig.
Man kann gleichzeitig hart und fürsorglich sein. Je turbulenter es zu- und hergeht, desto wichtiger ist es, fürsorglich zu sein. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter kann sich auf den Kohler verlassen. Wenn sie ehrlich sind, wissen sie: Der sorgt für uns. Das heisst aber, dass er auch mal sagen muss: So nicht. Es ist nicht einfach, den richtigen Führungsstil zu finden für dieses explosive Gemisch verschiedenster Fachleute. Die Rega wäre prädestiniert, ein Klub der Zufriedenen zu werden. Jeder Helikopterpilot will Rega-Pilot sein. Dutzende Pflegefachpersonen bewerben sich auf eine Ausschreibung. Einer muss dafür sorgen, dass die Rega nicht zur Wohlfühloase wird.
Ich führe seit der Unteroffiziersschule, militärisch und zivil. Mit zwanzig gründete ich eine Familie mit schliesslich vier Kindern. Was ihr macht, sage ich ihnen, spielt keine Rolle, aber übernehmt Verantwortung – und macht die Arbeit gern! Dann macht ihr sie auch gut. Das ist matchentscheidend.
Sind Sie per Du mit Ihren Mitarbeitern?
Zum Teil. Aus Prinzip Duzis zu machen, finde ich aber lächerlich.
In der Rega arbeiten viele Frauen. Weshalb sind Kader und Stiftungsrat so männerlastig?
Im Stiftungsrat sind in den letzten sechs Jahren immerhin zwei Frauen dazugekommen. Wir haben eine Einsatzchefin Helikopter, eine Chefin der Einsatzzentrale Jet und eine Personalchefin. Fliegerei und Medizin sind eher männliche Domänen. Wir haben noch Aufholbedarf, sicher. Während meiner Zeit muss ich mir nichts vorwerfen.
Auffallend ist auch das Alter mancher Stiftungsratsmitglieder.
Die Erneuerung ist im Gang. Seit 2011 gilt eine Altersbeschränkung: Mit siebzig kann ein Stiftungsrat ein letztes Mal für eine vierjährige Amtszeit gewählt werden. Doch lieber als junge HSG-Manager, die alles umkrempeln wollen, sind
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