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wäre.
Solche Vorwürfe sind schnell zur Hand, wenn es darum geht, mit Rettungsflügen Geld zu verdienen. Wäre ich Chef der Air-Glaciers, würde ich mich vielleicht ähnlich verhalten. Ich wollte die Vorwürfe schon mehrmals besprechen, unsere Haltung darlegen, aber bisher hat niemand meine Einladung angenommen. Wir können jederzeit belegen, warum wir in welchem Fall wie handeln.
Ein Problem bekommen die Walliser wohl mit iRega.
Wer im Wallis unterwegs ist und via Rega-App Hilfe holt, landet in unserer Einsatzzentrale. Wir geben diese Aufträge zurück, sinnvoller wäre, wir könnten die Luftrettung gesamtschweizerisch koordinieren. Ein ausländisches Beispiel hat mich beeindruckt: Bei den Bombenanschlägen 2004 in Vorortzügen von Madrid herrschte ein Chaos zwischen Feuerwehr, Sanität und Polizei. Danach vereinigte die Millionenmetropole als erste europäische Stadt die drei Blaulichtorganisationen in einer Einsatzzentrale. Wir haben 26 Notrufzentralen, unzählige Feuerwehren. Als Demokrat finde ich gewisse föderalistische Strukturen in Ordnung, aber im Rettungswesen geht das etwas zu weit.
In der Wirtschaftswelt bläst ein neuer Wind: Aktionäre wehren sich. «Aktionäre» der Rega sind die Gönner, mittlerweile 2,4 Millionen. Wer vertritt diesen grössten Geldgeber innerhalb der Rega?
So viele Gönner mitbestimmen zu lassen, wäre nicht zu bewerkstelligen. Ich denke auch nicht, dass sie das wollen. Die Ausgangslage ist anders: Die Rega ist kein Verein, kein Rechtsgefäss – der Gönner nicht Mitglied, sein Beitrag ist eine Spende ohne Anspruch auf Mitbestimmung. Das schönste Kompliment ist, wenn er Anfang Jahr die Rechnung zahlt.
Heute reisen die Leute in die entferntesten Winkel der Erde. Risikobereitschaft und Abenteuerlust nehmen zu. Motto: Immer weiter, immer gefährlicher. Hält das Rettungswesen damit Schritt?
Die Rega ist auf jeden Fall gerüstet. Sie ist kerngesund.
Wie verhalten sich Gönner-Einnahmen zu Ausgaben für Gönner?
Die Rettungsfliegerei ist höchst defizitär. Der Gönner finanziert die hohe Einsatzbereitschaft der Rega. Sobald der Helikopter unterwegs ist, kommen meist die Unfall- oder Krankenversicherungen zum Zug. Diese decken etwa vierzig Prozent des Budgets. Sechzig Prozent, jährlich rund achtzig Millionen, tragen die Gönner bei.
Die Kranken- und Unfallversicherer wollen der Rega ans Lebendige. Präventive Einsätze übernehmen sie nicht mehr.
Das stimmt. Holen wir jedoch einen erschöpften oder verirrten Gönner, erlassen wir ihm die Kosten. Das ist das Prinzip des Systems seit den Sechzigerjahren. Ohne Gönner wären Qualität und Dichte des Rettungsnetzes nicht auf dem heutigen Standard zu halten. Wer sonst würde das bezahlen? Die Krankenversicherer? Der Staat? Ob das billiger käme, wage ich zu bezweifeln. Die zunehmend restriktive Haltung gewisser Kassen greift sicher zu kurz.
Wie hoch sind die Debitorenkosten?
Im Rahmen. Zwischen sechs und neun Millionen jährlich wenden wir für Leistungen auf, für die kein Kostenträger gefunden wird. Könnte sein, dass sich gewisse Krankenversicherer einen Sport daraus machen, die Rega zu schröpfen. Sie verfügt über liquide Mittel in der Höhe von 200 Millionen und ist zu hundert Prozent eigenfinanziert. Das weckt Missgunst. Was in der Schweiz zu hoch wächst, wird gestutzt.
Der Preisüberwacher moniert, die Flugtarife seien dreissig Prozent zu hoch.
Er verwechselt Äpfel mit Birnen. Unsere Flugminutentarife und auch die Gönnerbeiträge sind seit Mitte der Neunzigerjahre nicht gestiegen. Gibt es andere Kosten im Gesundheitswesen, die so stabil sind? Wir könnten ja, nach dem System Krankenkasse, jährlich ein paar Prozente aufschlagen.
«Vom Boden in die Luft!», frohlockte Mitte November 2011 der Touring Club Schweiz (TCS). Mit drei Notfallhelikoptern und zwei Ambulanzfahrzeugen bietet er medizinische Überführung in der Schweiz beziehungsweise Rückführung aus dem Ausland – günstiger als bisher die Rega. Die Alpine Air Ambulance (AAA), eine Tochter der Lions Air Group, organisiert alle Transporte; der TCS ist mit 49 Prozent an der AAA beteiligt. Seit Januar 2011 hat die neu gegründete medizinische Fachstelle des TCS für medizinische Fernberatung (ETI-Med) angeblich 650 Rückführungen veranlasst. Ist das eine bedrohliche Konkurrenz?
Nein. Rega und TCS kann man nicht vergleichen. Die Rega stellt den Service public sicher, bildlich gesprochen die Postautoverbindung ins abgelegene Bergtal, auch bei Nacht und
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