1417 - Der Würgeengel
mal Suko merkte, wie ich in das Dunkel des Ganges eintauchte.
Genau da schaltete ich die Lampe aus. Im Schutz der Schatten blieb ich stehen und tat das, was sehr wichtig war.
Ich zog das Kreuz unter meiner Kleidung hervor, wobei ich die Kette nicht über den Kopf streifte. Ich ließ das Kreuz außen vor der Brust hängen, schielte von oben herab dagegen und entdeckte das leicht unruhige Flackern auf dem geweihten Silber.
Für mich gab es keinen Zweifel, dass sich der Würgeengel in der Nähe aufhielt. Nur musste ich ihn erst mal finden, und das würde nicht so einfach sein.
Da sich das Licht auf dem Kreuz zitternd ausbreitete, war es bestimmt auch aus einer gewissen Distanz zu sehen. Oder zu fühlen, denn ob der Engel Augen besaß, wusste ich nicht.
Es war mir letztendlich egal. Ich wollte mich nicht verstecken. Die andere Seite sollte schon wissen, mit wem sie es zu tun hatte. Mir blieb nur eine Alternative. Ich nahm wieder den Weg, den ich zuvor mit Suko gekommen war, der jetzt bei der Cerny zurückblieb. Ich konnte mich voll und ganz auf den Engel konzentrieren, der sich bisher leider noch nicht gezeigt hatte.
Schritt für Schritt durchmaß ich den Gang. Er war dunkel, und das sollte er auch bleiben.
Es war ein Vortasten. Wie ich gingen oft blinde Menschen, nur dass ich keinen weißen Stock in der Hand hielt. Es war nicht besonders schlimm, da ich den Weg bereits kannte und von keinen Hindernissen wusste. Das einzige Hindernis konnte der Engel werden, und genau darauf freute ich mich schon jetzt.
Leider machte er es spannend. Er zeigte sich nicht. So musste ich mich voll und ganz auf das Kreuz verlassen, das noch immer seine leichten Wärmestöße abgab.
Links von mir öffnete sich die Wand.
Dort zog sich die Treppe hoch, und von dort sah ich auch den fahlen und sehr blassen Schein auf dem Boden.
Ich blieb stehen und maß die Distanz bis zur letzten Stufe ab. Es war nicht mehr als ein langer Schritt, dann hatte ich die Stelle erreicht und drehte mich sofort nach links.
Mein Blick glitt die Treppe hoch.
Tatsächlich stand dort der Würgeengel!
***
Ob er tatsächlich da stand oder über einer Stufe schwebte, war nicht so genau zu erkennen. Jedenfalls war er da, und ich fühlte mich in diesem Moment irgendwie erlöst. In meiner Wohnung war er schon kurz mal erschienen, doch hier sah er anders aus. Er wirkte mächtiger und siegessicherer auf mich. Es mochte daran liegen, dass er von seiner höheren Position auf mich herabschaute.
War er ein Engel?
Ich musste es akzeptieren, denn ich wusste, dass es nicht nur die Engel mit den Flügeln gab, sondern auch welche, die darauf gut und gern verzichten konnten.
Das war hier der Fall. Was ich sah, war kein normaler Körper, wie ihn jeder Mensch besaß. Ich schaute praktisch gegen einen Umriss mit einer Füllung, die sich unruhig bewegte und mich an das Schneegestöber auf einem Bildschirm erinnerte.
Da gab es den Kopf, den Körper, Arme und auch Beine. Wobei die Arme wichtiger waren, denn an ihnen wuchsen die verfluchten Würgehände.
»Wie schön«, flüsterte ich ihm zu. »Auf diese Chance habe ich lange warten müssen.«
Eine Antwort gab er mir nicht. Er zitterte in seinem Innern. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ihn das Kreuz störte und dass er auch dessen Macht spürte.
Eine Flucht würde ihm nach vorn nicht gelingen. Er musste schon zur Treppe hin ausweichen, aber er tat es nicht, als ich meinen rechten Fuß auf die erste Stufe setzte.
Wegen des dunklen Hintergrunds sah ich ihn recht deutlich. In seinem Innern veränderte sich nichts, aber er selbst war plötzlich der Meinung, dass er seinem Namen alle Ehre machen musste.
Nichts hielt ihn mehr auf der Stufe. Er wollte weg von ihr. Der Feind war ich, und er wollte mich würgen.
Er fiel mir entgegen!
Jetzt wäre es Zeit für mich gewesen, zurückzuweichen. Das tat ich nicht, denn ich wollte seine Würgeklauen an meinem Hals spüren und musste wirklich nicht lange warten.
Sie strichen über die Kehle hinweg. Die trockene Kälte verteilte sich an verschiedenen Stellen, und so wanderten die Klauen um meinen Hals herum.
Es war plötzlich ein Druck vorhanden, dem ich nachgab und der mich bis gegen die gegenüberliegende Wand drückte. Mit dem Rücken berührte ich sie, und es war eigentlich die ideale Position für meinen Gegner, mich in das Totenreich zu schicken.
Genau das passierte nicht. Zwar konnte ich nicht mehr atmen, weil der Druck zu groß war, aber ich bewegte meine Arme. Die Hände
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