1418 - Grabgesang der Geistermönche
wartete darauf, dass Sylvia ihn ansprach.
Sie ließ sich Zeit, aber man sah ihr an, dass sie scharf nachdachte.
Einige Male schnippte sie mit den Fingern, und ihr Blick nahm einen stark nachdenklichen Ausdruck an.
Thomas kannte seine Freundin. Wenn sie so schaute, dann bewegte sie sich bereits auf die Lösung zu oder zumindest auf einen Teil davon.
»Mir ist da etwas eingefallen.«
»Und was?«
»Bist du nicht vor Kurzem auf einem Seminar in Wiesbaden gewesen?«
»Klar, bin ich.«
»Du hast doch von einem Mann erzählt, der dort einen Vortrag über Grenzwissenschaften gehalten hat. Wobei er kein Theoretiker, sondern ein Praktiker war.«
»Genau.«
»Und wenn ich mich recht erinnere, hat dieser Mann dir sogar gut gefallen. Du bist von ihm fasziniert gewesen.«
»Er hießt Harry Stahl.«
»Genau, Thomas. Der Name ist mir vorhin nur nicht eingefallen.«
Sie bohrte ihren Blick in seine Augen. »Hat dieser Harry Stahl euch nicht etwas mitgegeben?«
»Was meinst du?«
»Er sah sich nicht nur als Theoretiker an. Er hat von der Praxis gesprochen. Ich habe dir damals fasziniert zugehört, Thomas. Er hat euch wohl auch erklärt, dass ihr die Augen offen halten sollt. Er wollte auch, dass ihr euch meldet, wenn Dinge passieren, die im ersten Moment nicht zu begreifen sind.«
»Das hast du gut behalten.«
»Danke. Dann frage ich dich jetzt, ob es nicht der richtige Zeitpunkt ist, diesen Menschen anzurufen und ihm von deiner Begegnung mit den Geistern zu erzählen.«
Thomas hatte zugehört. Er senkte den Kopf und strich über sein Haar. Seine Freundin ließ ihm Zeit. Sie stand auf und kümmerte sich um den Kaffee.
Der Polizist atmete schwer, als er fragte: »Und du meinst wirklich, dass ich Harry Stahl Bescheid geben soll?«
»Das meine ich.«
»Und wenn er mich auslacht?« Er war noch immer unsicher.
Sylvia Krüger drehte sich von der Kaffeemaschine weg. »Glaubst du wirklich, dass er dich auslachen wird? Du kennst ihn doch. So wie du ihn mir geschildert hast, bis du von ihm sogar begeistert gewesen. Du hast davon gesprochen, dass es endlich jemanden gibt, der auch hinter die Kulissen schaut. Das jedenfalls habe ich noch in Erinnerung. Ich glaube nicht, dass ich mich da täusche.«
»Das stimmt auch.«
»Also habe ich Recht!«
Thomas hob die Schultern. »Ich kann das alles nicht so genau sagen. Das musst du verstehen…«
Sie unterbrach ihn und kam wieder zum Tisch. »Aber es ist unsere einzige Chance, denke ich. Du kannst nicht so einfach darüber hinweggehen.«
»Das weiß ich ja auch.«
»Eben. Und da du es so genau weißt, dann musst du auch etwas unternehmen.«
Thomas Weber wand sich. Er räusperte sich, strich über seine Stirn und die Wangen hinweg. Er kämpfte mit sich. Die Angst, sich zu blamieren, hatte er noch nicht überwunden.
»Mehr kann ich dir nicht sagen, Thomas.«
»Ja, ich weiß.«
»Dann entscheide dich!«
»Okay, ich rufe ihn an.«
»Super.«
»Moment, ich weiß nicht, wo ich ihn erreichen kann. Die Nummer habe ich nicht mehr und…«
Sylvia streckte ihre Hände vor und unterbrach ihren Freund. »Alles der Reihe nach. Zu einem kannst du beim BKA anrufen und dich erkundigen. Dann hat Herr Stahl euch doch eine Visitenkarte mitgegeben. Das meine ich, von dir gehört zu haben.«
»Das stimmt.«
»Und die Karte habe ich«, sagte Sylvia schnell. »Ich habe sie nämlich gefunden und sicherheitshalber weggelegt.«
»Dann ist ja alles klar.«
»Ist es auch.« Sie lächelte und umarmte ihren Freund. »Ich glaube dir nämlich«, flüsterte sie, »und ich möchte nicht, dass durch diese Geistwesen noch ein Unglück geschieht…«
***
Am nächsten Morgen betrat ich das Büro als ziemlich angeschlagener Mensch. Suko war nicht mit mir gefahren. Er hatte seine Kopfverletzung noch nicht ganz auskuriert und wollte den Tag liegend in der Obhut seiner Partnerin Shao verbringen.
Wie fast immer war Glenda Perkins schon im Büro, das von einem Kaffeeduft durchzogen wurde. Sie wusste zwar nicht genau, was in der Nacht passiert war, aber sie deutete bereits auf einen großen Umschlag.
»Das hat man für dich abgegeben, John.«
»Sehr gut. Guten Morgen erst mal.«
»Auch das.« Glenda lächelte mich an. Sie trug eine bunt gestreifte Bluse, die über den Gürtel der hellen Jeans reichte. Ihre Füße stecken in Sneakers aus Leinen.
»Und was ist in der Nacht passiert?«
»Was weißt du denn?«
»Zu wenig.«
»Man hat mir mein Kreuz gestohlen!«
Es passierte selten, dass ich Glenda
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