1418 - Grabgesang der Geistermönche
abdüsen.«
»Genau das werde ich tun. Aber zuvor rufe ich Harry noch an, damit er nicht vor Schreck aus den Schuhen kippt, wenn er mich sieht…«
***
Der junge Mann, der eine dunkle Hose und dazu einen grauen Pullover mit Kapuze trug, hatte das fast Unmögliche geschafft. Er war tatsächlich am frühen Morgen in Frankfurt eingetroffen, und das mit einer Maschine, die Blumen aus den Gewächshäusern in Israel nach Deutschland brachte und die nur in der Nacht flog. Sie war in London zwischengelandet, weil dort ein Teil der Fracht entladen wurde.
Durch einen Bekannten war Michael Meier in die Maschine geschmuggelt worden. Er kannte ihn aus der Schulzeit, und da Michael ihn mal vor Jahren das Leben gerettet hatte, als er auf zu dünnem Eis eingebrochen war, war er ihm noch etwas schuldig, und das hatte der Freund auch nicht vergessen.
Er hatte es tatsächlich geschafft, Michael als Mitarbeiter mit in die Maschine zu nehmen, ohne dass er bei den Kontrollen aufgefallen wäre. Sogar einen Ausweis hatte ihm der Freund ausgestellt, und es war ihnen auch gelungen, das Schwert mitzunehmen, denn ein Frachtpapier ließ sich ebenfalls fälschen.
Wenn etwas herauskam, war der Freund natürlich geliefert, aber alles ging glatt, und nach der Landung war ihnen beiden ein Stein vom Herzen gefallen.
Michael Maier hatte es sogar geschafft, unbemerkt das Flughafengelände zu verlassen, und er hatte sich einen Leihwagen genommen, einen VW Polo. Dabei hatte ihm seine Kreditkarte gute Dienste erwiesen, die er sich vor zwei Jahren zugelegt hatte.
Sein Bargeld hatte er eingetauscht. Es trug jetzt etwas über Euro bei sich.
Zwar hatte er einen deutschen Namen, aber es gab für ihn ein Problem in diesem Land. Hier fuhr man rechts, und daran musste sich Michael erst gewöhnen. Sein längeres Haar hatte er am Hinterkopf mit einem Gummiband zusammengebunden. So fiel ihm die blonde Flut nicht mehr ins Gesicht.
Er fuhr auf der Autobahn. Es war sein Glück, denn hier konnte er sich an das neue Fahren gewöhnen. Er fuhr rechts in Richtung Würzburg, ließ sich gern links überholen und hatte auf einer Karte nachgesehen, wo er von der Autobahn abbiegen musste.
Die Abfahrt hieß Stockstadt, und die hatte er bald erreicht, denn der morgendliche Berufsverkehr lief größtenteils in die andere Richtung auf Frankfurt zu.
Es war ein Tag, wie ihn die Götter schenkten. Blauer Himmel, kaum eine Wolke und nicht heiß. Von der Temperatur her eine Mischung aus Frühling und Sommer. Tage wie diese konnte man einfach nur genießen.
Aber die Gedanken des Fahrers bewegten sich in eine ganz andere Richtung. Er dachte einzig und allein an die Aufgabe, die vor ihm lag. Dafür hatte er so lange gelebt. Er wusste, dass er etwas Besonderes war, und jetzt, da sich das Kreuz in seinem Besitz befand, war er seinem Ziel einen Riesenschritt näher gekommen.
Er lachte. Er freute sich. Er war davon überzeugt, dass das Leben wunderbar sein konnte.
Je weiter er sich von Frankfurt entfernte und seinem Ziel näher kam, desto mehr leuchteten seine Augen.
In Stockstadt verließ er die Autobahn. Nach der Kurve musste er sich rechts halten. Er folgte dem Schild mit der Aufschrift Amorbach und Miltenberg.
Er wunderte sich, denn er hatte das Gefühl, auf einer weiteren Autobahn zu fahren, so gut war die Strecke ausgebaut. Der Main hatte sich hier das Tal geschaffen und trennte die beiden Mittelgebirge Odenwald und Spessart.
Ab und zu warf er einen Blick auf den Fluss, der mit der Themse überhaupt nicht zu vergleichen war. Erstens war der Main nicht so breit und zweitens nicht so stark befahren. Nur zweimal fiel ihm eines der weißen Ausflugsschiffe auf.
Kurz vor Miltenberg fiel ihm die Lücke in einem Wald am Berghang auf. Der Baumbestand war dort unterbrochen, und das hatte seinen Grund, denn in der klaren Luft sah er die mächtigen Mauern eines Klosters hoch über dem Fluss.
Bereits der erste Blick dorthin ließ sein Herz schneller klopfen, denn das genau war sein Ziel. Das Kloster, dem heiligen Michael geweiht, und er war dessen Nachfolger. Er spürte die Kraft des Erzengels in sich, und er würde sie noch weiter steigern, das stand für ihn fest. Jetzt sowieso, da er das Kreuz dieses Geisterjägers bei sich trug.
Mochte Sinclair es auch über lange Jahre hinweg besessen haben, er fühlte sich als der wahre Besitzer.
Alles war bisher so perfekt für ihn gelaufen. Nachdem er das Tor am Ortsanfang durchfahren hatte, überkam ihn die erste Erleichterung. Die große
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