1418 - Grabgesang der Geistermönche
Hobby.«
»Das stimmt.« Ich ging an ihr vorbei.
»Kann ich mitkommen?«
»Bitte.«
Sie stampfte mir nach. »Außerdem habe ich einen Schlüssel.«
»Noch besser.«
In der ersten Etage roch es nicht viel besser. Es war hier nur noch etwas stickiger.
Vier Türen sah ich. Hinter einer lag die Wohnung des Engelfans.
Claire klaubte einen Schlüssel aus ihrer Hosentasche und steckte ihn in das Schloss. Wenig später stieß sie die Tür nach innen.
»Bitte…«
Ich trat über die Schwelle, und wieder war es der Geruch, der mir auffiel. Diesmal allerdings roch es anders, und so hatte ich das Gefühl, in eine katholische Kirche zu gehen, wo erst vor kurzem ein Hochamt gefeiert worden war, denn zwischen den Wänden hing wie ein schwerer Blütenduft der Geruch von Weihrauch.
Ich war nicht mal überrascht. Irgendwie passte es zu dem Freund des Engels, der glaubte, dass in ihm der Erzengel Michael wiedergeboren war.
Licht gab es auch, und so stellte ich fest, dass er nur einen Raum bewohnte. Ich sah ein heilloses Durcheinander. Eine Kochnische gab es nicht. Ich sah nur eine Kochplatte, die in der Nähe des Wasch-oder Spülbeckens auf einem Beistelltisch stand.
Er schlief wahrscheinlich auf der Couch, die aussah, als könnte man sie aufklappen. Kleidungsstücke hingen an Wandhaken.
Aber das alles war nicht so interessant wie der kleine Altar in der Ecke.
Michael hatte sich dafür einen niedrigen Tisch ausgesucht. Darauf waren einige Figuren sorgfältig arrangiert und wurden von vier Kerzen umrahmt.
Als ich mir die Figuren genau betrachtete, stellte ich fest, dass sie nur eine Person zeigten. Eben den Erzengel Michael. Zwar sah er immer wieder anders aus, doch seine Haltung war typisch. Er war der kämpfende Engel, denn jede Figur zeigte ihn mit einem Schwert bewaffnet.
Eine der Figuren trug diese Waffe in der herabhängenden Rechten.
Eine andere schlug damit nach einem Drachen, der zu seinen Füßen lag.
»Da sehen Sie mit eigenen Augen, was sein Hobby ist, Mr. Sinclair.«
»Ja, der Engel.«
»Er liebt ihn. Er ist verrückt nach ihm. Er betet sogar mit ihm zusammen, und er hat alles gesammelt, was mit diesem Erzengel zu tun hat.«
»Warum tut er das?«
»Das weiß ich auch nicht genau«, sagte Claire. »An seinem Namen allein kann es wohl nicht liegen. Ich denke, dass er irgendwann mal eine Begegnung mit ihm gehabt haben muss, sonst wäre er nicht so stark darauf abgefahren. Das ist schön mehr als ein Hobby.«
»Stimmt.«
»Aber es ist ja nicht schlecht. Wer interessiert sich schon für einen Heiligen? Die meisten rennen doch irgendwelchen Gurus nach, die aus allen möglichen Ecken der Welt kommen. Aber Michael ist echt religiös. Er geht auch in die Kirche, er hilft dort gern, und die Menschen mögen ihn wirklich.«
»Das habe ich schon von einer anderen Seite gehört.«
»Und warum jagen Sie ihn jetzt?«
Ich drehte mich nach rechts und schaute Claire in die Augen.
»Wieso sagen Sie jagen?«
»Weil ich die Streifewagen gesehen habe. Irgendetwas stimmt hier nicht. Was hat sich Michael zu Schulden kommen lassen? Was hat er getan, dass er von der Polizei gesucht wird. Sogar von Scotland Yard.«
Die Wahrheit konnte ich ihr natürlich nicht sagen. Ich sprach davon, dass wir seine Zeugenaussage brauchten, was sie mir nicht abnahm, aber sie stellte auch keine weiteren Fragen.
In einem Regal standen Bücher. Über Engel wurde in der letzten Zeit viel geschrieben und publiziert. Hier standen die entsprechenden Werke, die sich mit dem Phänomen der Engel beschäftigten. Da ging es um ihr Erscheinen in der Kunst und im täglichen Leben.
»Haben Sie die Bücher auch gelesen oder einige von ihnen?«, wollte ich wissen.
»Nein.«
»Kein einziges?«
Sie machte eine abwertende Handbewegung. »So ist es, Mr. Sinclair. Ich habe nicht viel davon gehalten. Sein Hobby war mir zu theoretisch. Ich sehe die Engel realistischer. Wenn jemand Menschen hilft, die in Not sind, dann sind das für mich die wahren Engel. Schauen Sie sich mal in den Krankenhäusern um, dann wissen Sie, was ich meine.«
»So kann man es auch sehen.«
»Und ich würde gern wissen, wann ich mit Michaels Rückkehr rechnen kann. Haben Sie eine Idee?«
»Nein, keine konkrete. Aber gehen Sie bitte davon aus, dass er möglicherweise nicht so schnell zurückkehrt. Er hat wohl eine andere Aufgabe gefunden.«
Claire trat einen Schritt zurück und schüttelte den Kopf. »Er ist weg? Er hat London verlassen?«
»Das weiß ich nicht genau. Rechnen
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