1419 - Mandragoros Mörderfee
an den Schlauchbooten herum. Wir hätten gern einige Sätze mit ihm gewechselt, doch seine Chefin rief nach ihm, und da verschwand er im Haus.
Wir hatten den Leihwagen oberhalb des Weges abgestellt und nicht weit vom Wasserfall weg. Der Wind hatte einige Tropfen herübergeweht, und diese hatten auf der Karosserie einen feuchten Film hinterlassen.
Unser nächstes Ziel war wieder die Arztpraxis. Ich hoffte, dass sich Ken Bullock an viele Einzelheiten erinnerte. Vom Himmel gefallen waren die beiden Mordpflanzen bestimmt nicht. Meiner Ansicht nach gehörten sie zu einem Baum. Nur kannte ich keinen, der mit einem derartigen Laub geschmückt war. Es sei denn, ich erweiterte mein Denken und ließ menschliche Grenzen hinter mir. Da bewegte ich mich dann in der Nähe des Umweltdämons Mandragoro oder in Richtung Aibon.
Bevor Suko den Wagen aufschloss, warfen wir noch einen Blick zurück. Cora Shannon hatte ihr Haus verlassen. Sie stand am Rand des Wildwassers, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und schaute über das schnell fließende Wasser hinweg.
»Ich würde einiges darum geben, wenn ich ihre Gedanken jetzt erraten könnte«, sagte Suko.
»Ich auch.«
»Okay, fahren wir.«
Den Weg bis zum Haus des Arztes hatten wir schnell zurückgelegt. Nach dem Klingeln wurde uns wieder von der älteren Frau geöffnet. Sie schob ihre Brille zurück und schaute uns an.
»Der Doktor ist beschäftigt.«
»Danke. Und was ist mit Mr Bullock?«
»Ach, so heißt er. Ja, der wurde behandelt.«
»Erfolgreich?«
»Ich denke schon. Der Doktor hat ihn gebeten, sich in den Ruheraum zu legen, wo er sich etwas ausruhen kann.«
»Können wir ihn besuchen?«
»Wenn Sie wollen. Ich denke nicht, dass der Chef etwas dagegen hat. Heute ist viel zu tun. Als hätten sich die Patienten abgesprochen. Kommen Sie bitte rein.«
Im unteren Teil des Hauses waren die Räume der Praxis. Eine Etage höher wohnte der Arzt.
Die Sprechstundenhilfe führte uns durch einen Flur, dessen Wände mit Gesundheitsplakaten bedeckt waren. Überall wurde auf verschiedene Krankheiten hingewiesen, und als Essenz dessen wurde zur Vorbeugung geraten.
Nach einem kurzen Anklopfen öffnete die Frau eine hellbraun gestrichene Tür. Sie konnte uns nicht mehr in den Raum begleiten, denn es schellte bereits wieder an der Tür.
»Sie kommen ja allein zurecht, meine Herren.«
»Bestimmt.«
Ich trat vor Suko in das Zimmer, in dem zwei Betten standen. Eigentlich waren es mehr Liegen. Nur eine von ihnen war belegt. Dort hatte Ken Bullock seinen Platz gefunden.
Von einem Fenster hing ein Rollo. Es verdunkelte den Raum ein wenig. Trotzdem erkannte uns der Mann, als wir über die Schwelle traten. Er richtete sich auf und flüsterte mit einer heiseren und kaum zu verstehenden Stimme.
»Ah, meine beiden Lebensretter sind eingetroffen. Das ist wirklich eine Freude.«
»Wir freuen uns für Sie«, sagte Suko, »dass Sie überlebt haben.«
»Ja«, heiserte er. »Das habe ich.« Er setzte sich hin und drehte seinen Körper so, dass er sich mit dem Rücken an die Wand lehnen konnte. Wir hatten uns auf den Rand des anderen Betts gesetzt und saßen ihm nun gegenüber.
»Jetzt haben Sie bestimmt viele Fragen, nicht wahr?«
»Das ist wohl so«, meinte Suko.
»Lieber nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil – weil – es zu grauenhaft ist.« Er griff nach der Flasche, die auf einem kleinen Beistelltisch stand. Das Material war durchsichtig, und die gelbe Flüssigkeit sah aus wie Tee.
Er trank und stellte die Flasche wieder weg. »Der Doktor hat mir gesagt, wer Sie sind. Zwei Polizisten aus London. Das ist ja alles okay, doch hier sind Sie falsch. Hier können Sie keine normalen Mörder jagen. Sondern etwas, das ich nicht begreife.«
Wir konnten den Mann mit den halblangen Haaren verstehen. Er hatte ein schmales Gesicht, blasse Haut und eine hohe Stirn, in der sich tiefe Falten eingegraben hatten. Er sah nicht eben aus wie ein Naturbursche, und ich fragte ihn nach seinem Beruf.
»Ich bin Autor und schreibe Drehbücher. Hierher bin ich gefahren, um der Stressmühle zu entgehen. Dass man mich hier umbringen wollte, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich habe gedacht, meinen Kopf frei zu bekommen. Sogar durch das Rafting, von dem eine Kollegin so begeistert gewesen ist. Dann ist es eben passiert.«
»Genau darauf möchten wir gern zu sprechen kommen«, erklärte ich.
»Sie werden mir die Wahrheit nicht glauben.«
»Das sollten Sie uns überlassen«, sagte Suko. »Schließlich haben
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