142 - Der Bluttempel
antwortete Popovgeno.
Vielleicht ein lokaler Dialekt, vielleicht ein Code.
Der steinerne Boden erbebte, als das kreisrunde Portal wie bereits vor einer Stunde langsam zur Seite rollte. Erneut blendete ihn grelles, unnatürliches Licht. Er streckte die Hand aus, schützte sich gegen die stechende Helligkeit. Popovgeno trat furchtlos über die breite Schwelle, Matt hinterher.
»Aah – der Vogelhändler!«, quietschte eine helle Stimme, die aus dem Nichts zu dringen schien. »Bringst du, was wir von dir begehren?«
»So wie immer, Badrov«, antwortete der Hüne ohne ein Zeichen der Unsicherheit. Er bedeutete Matt, einen der Käfige aufzunehmen, und ging selbst voran, nunmehr steinerne Treppen hinab, immer weiter, immer tiefer.
Langsam glitten sie aus dem Fokus der merkwürdigen Beleuchtung, hinein ins Halbdunkel eines unterirdischen Reiches.
Matt sah nach oben. Konvex gebogene Scheiben standen in einer Nische gegenüber dem Eingangstor. Reflektoren riesiger Scheinwerfer! Allein die Götter dieser neuen Welt mochten wissen, wo die Noskopzen die Dinger gefunden hatten und warum sie erhalten geblieben waren; möglicherweise stammten sie gar vom Scheinwerferturm irgendeines nahe gelegenen Fußball-Stadions. Vielleicht reflektierten sie natürliches Tageslicht, vielleicht auch jenes tausender Kerzen. Das war momentan einerlei. Matt konzentrierte sich auf den Abstieg in die Höhle.
Die steinernen Stufen waren glitschig. Mehr als einmal geriet er in Gefahr, wegzurutschen und auf dem Allerwertesten hinab in die Tiefe zu gleiten.
Sollte er die Taschenlampe verwenden?
Nein. Vorerst hielt er es für besser, seine kleinen Gimmicks, mit denen er die Noskopzen beeindrucken mochte, in Reserve zu behalten.
»Kalkstein«, murmelte Matt, nachdem er mit einem Finger über die grob gehauene Wand gefahren war und einen Wassertropfen abgeschleckt hatte.
Sie gingen offenbar in einen natürlich entstandenen Hohlraum hinab. Das Echo ihrer Fußtritte zeugte von den riesigen Dimensionen der Höhle. Es wurde feucht hier unten, und relativ warm. Immer wieder ertönte ein leises »Platsch«, das von einem hellen Klingeln gefolgt wurde. Die Dunkelheit wuchs wie ein krakenförmiges Monster, bis der Lichterschein weit oberhalb nur noch eine merkwürdige Idee zu sein schien.
Dann strahlte ihnen von unten ein singulärer Punkt entgegen, der sich allmählich verbreiterte.
Die Vögel, die Matt auf seinem Rücken trug, gewannen ebenso an Lebensmut und Energie wie er selbst. So deutlich wie nie zuvor wurde ihm bewusst, wie sehr die Geschöpfe dieser Welt auf Licht und Sonne angewiesen waren.
Zumindest die meisten.
»Willkommen, willkommen!«, schallte die bereits bekannte Stimme von unten. Unangenehm hoch, unangenehm kreischend. Wie hatte der Mann geheißen? Badrov?
Nun, er war so hässlich wie alle Nosfera, die Matt in Erinnerung hatte. Hellbraune Pigmentflecken über ansonsten extrem heller Haut. Tief gekerbte Falten im Gesicht, angespitzte Zähne, ausgedünntes Haar. Aber dieser hier war zusätzlich noch fett, unglaublich fett, und er stank nach Blut und Alkohol.
***
»Was für ein schöner Knabe!«, murmelte der Schwabbelkoloss und fuhr Matt mit plumpen Fingern über den Brustteil des Overalls. »Ist er ein Geschenk für mich, oder gar für den Obersten? Er würde sich über Frischfleisch sicherlich freuen…«
»Maddrax ist auf eigenen Wunsch hier«, antwortete Popovgeno. »Er möchte zu Pjotr vorgelassen werden.«
»Hm, hm, hm, weißt du auch, dass es sehr schwer ist, unseren über alles geliebten Anführer zu Gesicht zu bekommen, mein Hübscher? Er ist ein viel beschäftigter Mann, und nur mit Hilfe guter Beziehungen oder besonderer Leistungen erwirbt man das Recht, ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten zu dürfen. Aber ich möchte dir gerne helfen. Ich bin mir sicher, wir würden uns rasch einig werden in meiner Kemenate. Ah… der Geruch deines Blutes, er macht mich rasend…«
»Dein Angebot ist verführerisch«, sagte Matt und wehrte die flinken Finger des Fetten, die ihn betatschen wollten, ein ums andere Mal ab. »Aber ich denke, dass ich keine Protektion benötige.«
»Man kann nie wissen, mein Schöner, man kann nie wissen.« Er kicherte schrill. »Willst du dem lieben Badrov nicht deinen werten Namen verraten?«
»Nun – ich heiße Maddrax. Manche deines Volkes nennen mich den Sohn der Finsternis. Und ich bin auf Wunsch Erzvaters hier.«
Das rußige Licht der Fackel erlosch, und die Stille wurde plötzlich
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