142 - Der Bluttempel
allumfassend.
»Popovgeno – bist du noch da?«, fragte Matt nach geraumer Weile. Er hörte das Atmen eines einzelnen Menschen und hoffte, dass es der Vogelhändler war.
»Ja, bin ich«, stöhnte der Mann. »Oh, ich Narr! Warum hast du mir das nicht schon früher erzählt?«
»Dass ich der Sohn der Finsternis bin? Ich hatte ja keine Ahnung, dass du über diese Legende Bescheid weißt.«
»Legenden sind wie Märchen und interessieren mich nicht.«
Er senkte die Stimme und flüsterte nunmehr: »Es geht um den Namen, den du erwähntest!«
»Den von Erzv-?«
»Halt dein vorlautes Maul!«
Matt spürte die Pranken des Vogelhändlers, die sich an seinem Körper entlang tasteten und sich dann tatsächlich über seinen Mund legten.
»Wahrscheinlich hast du uns beide zu einem sehr, sehr schmerzhaften Tod verurteilt«, sagte der Vogelhändler. »Bist du dir dessen bewusst?«
Matt tat trotz der Gefahren, die in der Dunkelheit lauern mochten, einen Schritt beiseite und stieß die Hände Popovgenos weg. »Ist die Angst vor dem Anführer der Bluttempler so groß«, rief er laut, »dass schon die Nennung seines Namens für Panik und Schrecken sorgt?«
»– sorgt – sorgt – sorgt…«, echote es vielfach aus allen Himmelsrichtungen. Die Höhle musste wirklich unglaubliche Ausdehnungen besitzen.
»Es gibt Verbote, die befolgt werden müssen«, antwortete eine hohle Stimme, die von weit weg zu stammen schien. Trotz ihrer fistelnden Höhe wirkte sie von Kraft und Hingabe durchdrungen. »Ich wünsche trotzdem, dass der Sohn der Finsternis bei ausreichend Licht zu mir gebracht wird.«
Und es ward Licht.
***
Hunderte Fackeln wurden nahezu zeitgleich entzündet. Sie beleuchteten das kathedraleähnliche Innere mehrerer ineinander greifender Höhlenräume, deren näherer Betrachtung sich Matt nicht sofort widmen konnte. Große Schwärme kopfgroßer Bateras erregten seine Aufmerksamkeit. Sie schreckten aus ihren Nischen hoch, verwirrt und orientierungslos, und flatterten hektisch durch das Höhlenlabyrinth.
Da und dort standen Ebenbilder Badrovs; fette, unförmige Nosfera, meist mit entblößtem Oberkörper, graue Tücher um die Bäuche gewickelt. Ihre Leiber waren im Bereich des Oberkörpers von dunklen Brandnarben verunziert. Wie zu Stein erstarrt harrten sie offensichtlich weiterer Anweisungen.
Matt trat einen Schritt zurück und ließ endlich den Gesamtanblick der wundersamen Höhle auf sich wirken.
Der weiche Kalkstein hatte, von durchdringendem Wasser verdünnt, über Jahrtausende hinweg wellenförmige, sandgelbe Verwerfungen in die Deckenböden gezeichnet. Vielfach waren am Boden darunter Stalagmitentürme entstanden, die wie lange spitze Zähne steil nach oben ragten… Vieles konnte er nicht erkennen, vieles lag im Halbdunkel der weiter hinten liegenden Kavernen verborgen. Dort, wo bloß Schatten über Wände tanzten und schaurige Geräusche ertönten.
»Komm jetzt, Sohn der Finsternis!«, befahl Badrov sichtlich ungeduldig. Mit einer scheuchenden Handbewegung befahl er Matt zu sich. Das herabhängende Fett seiner nackten Oberarme schwabbelte bei jeder Bewegung mit. »Du und deine Vögel bleiben hier, Händler!«, befahl der Noskopze Popovgeno. »Um dich kümmern wir uns später.«
Matt ließ seinen Käfig zu Boden und nickte seinem Begleiter aufmunternd zu. Dann folgte er dem Fetten. Immer wieder tastete er an seine obere Beintasche, wo er seinen derzeit besten Freund wusste. Den Driller.
Die Stufen endeten nach wenigen Schritten. Badrov griff sich zwei Glimmfackeln aus einer Halterung und gab eine an Matt weiter. »Du folgst mir, egal wohin ich gehe. Hast du mich verstanden?«
Matt nickte.
»Du siehst nicht nach links oder rechts, kümmerst dich nicht, was ringsum passiert. Schon manch einer hat sich hier unten verlaufen. Der Geist von euch Oberflächenbewohnern ist schwach und lässt sich nur allzu leicht verwirren. Schimären, die in den Dunklen Räumen auf ein Opfer lauern, könnten dich in den Tod locken, auch wenn du der Sohn der Finsternis sein solltest. Also folge mir stets.«
Erneut nickte Matt. Er hatte zwar keinerlei Vertrauen in den Noskopzen – aber der Befehl des Obersten war wohl bindend für ihn.
Hier unten bot sich ein ganz anderes Bild als noch vor wenigen Momenten auf den in den weichen Kalkstein geschlagenen Stufen. Raum reihte sich an Raum, von den anderen durch dünne Tropfsteinwände oder ineinander verbackene Stalagmiten getrennt. Echos leiser Schritte oder gemurmelter
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