1420 - Sternentore
Tolot blickte auf die Ortungsanzeigen und erkannte, daß das ATG-Feld nicht weiter expandierte. Es hatte seine größtmögliche Ausdehnung erreicht und zog sich sogar wieder leicht zusammen. „Das wäre es!" stellte der Haluter fest und wandte sich Dschufar zu, um ihn solange unter psychischen Druck zu setzen, bis er sein Geheimnis preisgab.
In diesem Moment trat die HALUTA ins Psionische Netz ein.
Doch anstatt weich und lautlos in den Feldlinien des hochfrequenten Hyperenergiefelds dahinzugleiten, sprang, bockte und schleuderte es in einem irren Tanz durch ein wahnwitzig aufgewühltes Gewirr flackernder grüner Lichtbahnen, durch die ununterbrochen grelle Entladungen zuckten.
Icho Tolot erschrak. So etwas hatte er noch nie erlebt.
Doch er faßte sich schnell wieder.
Mit erzwungener Ruhe checkte er die Systeme der HALUTA durch, die für die Funktionen des Enerpsi-Antriebs verantwortlich waren. Aber er fand keine Fehler. Der Enerpsi war in Ordnung.
Es mußte das Psionische Netz selbst sein, das in Unordnung geraten war.
Tolots Verstand setzte aus, als er das begriff, denn er war sich sofort darüber im klaren, was eine tiefgreifende Unordnung im Psionischen Netz bedeutete. Daran, daß es für immer zusammenbrechen könnte, wagte er gar nicht zu denken, denn die Zivilisationen ganzer Galaxien waren abhängig vom Psionischen Netz. Ohne es mußten sie untergehen - mit allen grauenhaften Folgen für unzählige Trilliarden intelligenter Wesen.
Als der Haluter wieder denken konnte, konzentrierte er sich auf das für ihn Machbare.
Er versuchte, die HALUTA aus dem Psionischen Netz zu steuern.
Aber bevor ihm das gelang, stürzte sein Schiff von allein in den Normalraum zurück. Es war in eine ausgedehnte Kalmenzone gerast, in einen Raumsektor, dessen Struktur-Anomalie keine Vernetzung mit hochfrequenten Hyperenergiefeldern zuließ. Solche Leerzonen gab es seit jeher zu Tausenden im Universum.
Allerdings wurden die Kalmenzonen von den Ferntastern des Enerpsis auf große Entfernungen angemessen, so daß Netzgänger und Vironauten ihnen rechtzeitig ausweichen konnten. Das war in diesem Fall unterblieben - wahrscheinlich wegen des Aufruhrs, der im Psionischen Netz tobte.
Das war jedoch nichts, was den Haluter erschüttern konnte. Im Unterschied zu Virenschiffen verfügte die HALUTA über ein Metagrav-Triebwerk als Hilfsantrieb, da sie in ihrem ursprünglichen Operationsgebiet große Kalmenzonen durchqueren mußte. Es würde also lediglich etwas Zeit kosten, mit dem Metagrav aus der Kalmenzone herauszufliegen und sich wieder ins Psionische Netz einzufädeln.
Aber bevor Icho Tolot das Hilfstriebwerk aktivierte, nahm er routinemäßig eine Positionsbestimmung vor.
Und bekam einen neuen Schreck.
Denn kaum hatte er die ersten Werte ermittelt, wurde ihm klar, daß er den Raumsektor, in dem er sich befand, auf dem Weg vorn Yangar-System nach Tophtar schon einmal durchquert hatte - mit dem Enerpsi-Antrieb.
Das bedeutete, daß die Kalmenzone erst vor kurzem entstanden war - und das wiederum erweckte in Tolot die Ahnung, daß der Aufruhr im Psionischen Netz der Anfang vom Ende war und daß es sich über kurz oder lang völlig aufgelöst haben würde.
Er hatte das noch nicht verkraftet, als er eine weitere erschreckende Feststellung machte: Aus den Konstellationen der Sterne, Sternhaufen und Staubwolken in den nächsten Raumsektoren von M87 errechnete sein Planhirn, daß seit seinem Aufbruch von Yanyok fast ein ganzes Terrajahr vergangen war.
Demnach hatte er innerhalb des ATG-Felds rund zwölf Monate verloren. Man schrieb nicht mehr den Februar des Jahres 446 NGZ, sondern den Februar 447.
Und das hieß unter anderem, daß die Koldonischen Spiele auf Yanyok längst gelaufen waren und seine Chance dahin war, an ihnen teilzunehmen und als Wettkampfpreis von König Povarithrong das Zugeständnis zu erreichen, das Juwel von Mimoto sehen zu dürfen.
Tolot war frustriert. Doch er hätte nicht er selbst sein dürfen, wäre das ein Dauerzustand geworden. Er überwand das seelische Tief und dachte fieberhaft darüber nach, wie er sein Ziel dennoch erreichen konnte.
Dabei wurde ihm klar, daß ihm die Besichtigung des Juwels von Mimoto gar nicht genügen würde.
Er wollte es nicht nur sehen, sondern besitzen - und er war entschlossen, notfalls mit Povarithrong darum zu kämpfen.
Immerhin hatte der König ihn nach Tophtar geschickt, damit er ein Opfer des Gaijin wurde.
Der Haluter lachte grimmig, dann nahm er die Schaltungen
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