1421 - Totenklage
Angriffsziele für die zahlreichen Mücken.
Wir schlugen nach ihnen und ließen es bald bleiben, weil es einfach zu viele waren, die sich auf uns stürzten.
Buschwerk und Niederwald nahmen uns einen großen Teil der Sicht. Die Nähe des Sumpfs war aber zu spüren, denn der Boden wurde weicher, und wir merkten auch, dass wir immer mehr einsackten, wobei unsere Füße nicht stecken blieben, nur tiefe Abdrücke hinterließen, die aber bald wieder verschwunden sein würden.
Ich ging als Letzter. Ich machte mir über die Morde ebenso meine Gedanken wie über Elenas Reaktion, als sie das Kreuz angefasst hatte. Für mich stand fest, dass es eine Verbindung zwischen ihr und denen gab, die der Sumpf geschluckt hatte.
So einige Male hatte ich schon lebensgefährliche Überraschungen in einem Sumpf erlebt. Deshalb würde ich mich auch nicht wundern, wenn plötzlich Moorzombies erschienen, um uns in die Tiefe zu zerren, wo wir dann für alle Zeiten begraben blieben.
Das konnte und wollte ich hier nicht ausschließen, behielt diesen Gedanken jedoch für mich, wobei ich davon überzeugt war, dass Bill ähnlich dachte wie ich.
Wir hatten uns zwar nicht durch einen Dschungel schlagen müssen, aber das Strauchwerk war schon lästig gewesen, vor allem, wenn wir uns an Brombeerbüschen vorbeigeschlängelt hatten.
In den Abdrücken, die wir jetzt immer stärker hinterließen, sammelte sich das Wasser. Leicht verkrüppelte Bäume, deren Rinde faulig roch, wollten uns den Weg versperren und griffen mit ihren starren, an den Spitzen oft abgebrochenen Ästen nach uns.
Schließlich hatten wir das natürliche Hindernis hinter uns gelassen und befanden uns am Ziel. Hier war alles anders, als hätte sich uns eine fremde Welt eröffnet.
Vor unseren Augen breitete sich der Sumpf oder auch das Hochmoor aus. Ich sah, wie sich eine Gänsehaut auf dem Gesicht unserer Führerin bildete. Sicherlich wurde sie von den Erinnerungen überschwemmt, und ich fragte sie danach.
»Ja, es ist schlimm«, gab sie zu. Dann wandte sie den Blick von mir ab und deutete zu Boden. »Hier, genau an dieser Stelle habe ich die Stimmen zum ersten Mal gehört. Da haben sie mich gerufen.« Sie senkte den Kopf und fing an zu weinen.
Ich musste sie beruhigen. »Keine Sorge, jetzt sind wir erst mal bei Ihnen, Elena. Wir werden uns um die Stimmen kümmern und sie unter Umständen auch vertreiben.«
Elena wollte mir nicht so recht glauben. Sie hob nur die Schultern und blieb ansonsten still.
Bill war einige Schritte von uns weggegangen. Als Elena und ich nicht mehr sprachen, streckte er seinen Arm aus und wies auf einen bestimmten Punkt am Ufer.
»Das muss die Anlegestelle sein – oder?«
Elena Davies hatte ihn angeschaut und seine Worte von den Lippen abgelesen. Durch ihr Nicken zeigte sie ihm an, dass er mit seiner Vermutung richtig lag.
Es war auch unser Ziel. Hier am Rand des Moors stehen zu bleiben brachte uns nicht weiter. Wir mussten etwas unternehmen, um die andere Seite aus der Reserve zu locken. Es bereitete mir zwar keinen Spaß, in einen alten Kahn zu steigen und durch das Moor zu paddeln, aber wenn wir hier am Ufer stehen blieben, kamen wir auch nicht weiter.
Mit Elena sprach ich über unser Vorhaben. Ich wollte ihr die Entscheidung überlassen, ob sie mit uns kam oder es vorzog, lieber in guter Deckung zu bleiben.
»Wo bin ich denn sicherer?«, fragte sie mich.
Ich hob die Schultern. »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Einen gewissen Schutz hätten Sie schon bei uns.«
»Gut, Mr Sinclair, dann gehe ich mit Ihnen.«
»Nennen Sie mich einfach John. Das klingt vertrauter und auch angenehmer.«
»Ja, wie Sie meinen.«
Bill war schon weitergegangen. Wir blieben ihm auf den Fersen, aber ich schaute immer wieder nach links über die Sumpffläche hinweg. Der Sonnenschein des Tages war nur noch Erinnerung. Der graue Himmel drückte, was zu der Farbe des Sumpfs passte. Seine Oberfläche sah braun und manchmal dunkelgrün aus. Da kein Wind wehte, wirkte sie wie ein Spiegel, obwohl an verschiedenen Stellen hin und wieder Blasen hochstiegen, die vom Sumpfgas produziert wurden. Allerdings zerplatzten sie sehr schnell an der Oberfläche.
Ich wollte von Elena wissen, wie tief das Wasser ungefähr war.
Nach einer Antwort brauchte sie nicht lange zu suchen. Sie hob die Schultern und sagte: »Das weiß ich nicht. Manchmal ist es sehr flach, dann wieder tiefer. Aber eines ist sicher, John. Es ist immer gefährlich. Wer hineinfällt, hat nur wenige
Weitere Kostenlose Bücher