1424 - Das Hexenherz
Teufel? Besaß er überhaupt ein Herz?
Es war eine Frage, die sie sich einfach stellen musste. Eine Antwort darauf fand sie nicht. Justine Cavallo hatte mit dem Teufel in ihrer bisherigen Existenz nicht besonders viel zu tun gehabt. Und wenn, dann auf eine indirekte Art und Weise.
Das Herz schlug weiter. Es krampfte sich zusammen, beulte sich danach aus, gab in der Mitte eine Öffnung frei und gab wieder dieses ungewöhnliche Pochen von sich.
Worauf wartete es?
Justine wusste keine Antwort. Sie kannte auch kein Wesen, zu dem ein so großes Herz gepasst hätte. Was sie hier sah, kam ihr alles sehr suspekt vor.
Noch hatte das Herz ihr nichts getan. Es strömte auch nichts aus, was ihr Angst hätte einjagen müssen. Wobei sie sowieso keine Person war, für die dieser Begriff eine Bedeutung gehabt hätte. Angst war etwas für Menschen, aber nicht für sie, die sich trotz ihres Aussehens nicht als einen Menschen betrachtete.
Eine menschliche Eigenschaft hatte sie behalten: die Neugierde.
Sie wollte sich nicht zurückziehen, bevor sie das Herz nicht berührt hatte.
Ihr Augenmerk richtete sich auf das Zentrum, dort, wo die beiden Hälften zusammentrafen und bei ihren zuckenden Bewegungen so etwas wie einen Mund bildeten.
Es waren nur wenige Schritte, die sie zurücklegen musste. Justine ging langsam, als wollte sie jede Sekunde genießen. Sie leckte dabei über ihre Lippen. Sie verzerrte den Mund, um ihre beiden Vampirzähne zu präsentieren, obwohl ihr bewusst war, dass sie damit auf niemanden Eindruck machte, weil sie ja allein war.
Wäre es das Herz eines Menschen gewesen, hätte sie an und in ihm auch die mit Blut gefüllten Adern sehen müssen. Das traf hier nicht zu. Sie sah kein Blut, und sie nahm auch nicht dessen Geruch wahr. Dieses Organ hatte mit einem normalen Herzen nichts zu tun, und der Begriff künstlich kam ihr zum ersten mal in den Sinn.
Es schlug weiter!
Das Pochen dröhnte jetzt in ihren Ohren.
Auch hatte Justine den Eindruck, als würde es bei jeder dieser zuckenden Bewegungen ein Schmatzen abgeben, um zu beweisen, wie gut es ihm ging. Das empfand sie als schlimm, aber sie sah keinen Grund, ihr Vorhaben zu stoppen.
Der Blick blieb auf die Mitte fixiert. Die feinen Strahlen lenkten sie nicht ab. Für Justine war es nur Beiwerk, um das sie sich nicht zu kümmern brauchte.
Jedes Zucken der beiden Seiten war für sie so etwas wie eine Botschaft. Justine konnte sich vorstellen, dass sie nicht die Erste war, die diese Botschaft empfangen hatte. Elsa Dunn und möglicherweise einige andere Frauen hatten schon vorher diesen Ort besucht. Waren sie durch dieses Herz so verändert worden?
Noch war es nicht bewiesen. Sie war gespannt darauf, wie es auf eine Vampirin reagieren würde.
Justine war jetzt so nahe herangekommen, dass sie nur den Arm auszustrecken brauchte, um es zu berühren. Das hatte sie auch weiterhin vor, nur ballte sie ihre rechte Hand und schaute dabei auf die immer wieder entstehende Öffnung, die sie so sehr lockte.
»Okay!«, flüsterte sie vor sich hin. »Mal sehen, was geschieht, wenn ich es anfasse.«
Es war bei ihr kein normales Anfassen. Die Faust blieb bestehen, und sie drückte sie genau in diesen Mund hinein, in die zuckende und schmatzende Öffnung.
Justine konzentrierte sich stark auf das, was sie spürte. Es war eine weiche und sogar feuchte Masse, die ihre Faust von zwei Seiten umschloss. Es gab nichts, vor dem sie sich hätte zu fürchten brauchen.
Alles lief perfekt.
Sie drückte die Faust tiefer hinein. Wenn es nach ihr ginge, würde sie das Herz sogar durchstoßen.
Es pochte weiter. Es zuckte, und Justine schaute zu, wie ihr Handgelenk und ein Teil des Unterarms in dieser Masse verschwanden.
Es reichte.
Einen Erfolg hatte sie nicht erzielt. Das Herz schlug weiter. Sie hatte es nicht geschafft, es zum Stillstand zu bringen, womit sie eigentlich gerechnet hatte.
Aber war das alles gewesen? Hatten das auch die Frauen erlebt, die hier in dem Keller verschwunden und später so verändert zurückkehrt waren?
Sie konnte es nicht glauben.
Egal, sie hatte wenigstens den Versuch gemacht. Da sie keinen Erfolg erzielt hatte, musste sie es auf eine andere Art und Weise versuchen.
Sie zog die Hand wieder zurück.
Das wollte sie, aber plötzlich war alles anders!
Es ging nicht mehr.
Und noch in derselben Sekunde wurde ihr klar, dass die Hand und ein Teil des Arms feststeckten…
***
Auch Vampire können einen Schock erleiden, auch wenn sie nicht gegen ein
Weitere Kostenlose Bücher