1424 - Revolte auf Phönix
Gang. Er streckte den Kopf in die Dunkelheit und lauschte. Weit vor ihm waren raschelnde, schabende Geräusche. Malibu Varozza bewegte sich mit großer Vorsicht. Sie erwartete offenbar, den Weisen noch wach vorzufinden. Atlan tastete sich in den Stollen hinein. Die weichen, griffigen Sohlen der Stiefel verursachten kein Geräusch. Mit grimmiger Schadenfreude dachte er darüber nach, daß es Malibu mit ihrer Vermummung schwerfallen müsse, den Weg zu finden.
Der Stollen beschrieb eine leichte Biegung. Voraus wurde es hell. Atlan sah den Umriß der Frau, wie er sich unter dem Eingang des Wohngemachs abzeichnete. „Also hat der Arkonide doch recht gehabt", hörte er Sysu-Mat sagen. „Du Schwachkopf!" schalt Malibu Varozza. „Warum hast du dich umgedreht?
Du hättest in deinem Sessel sitzenbleiben sollen. Jetzt brauche ich die doppelte Ladung ..."
Der kurze Wortwechsel bot Atlan die Chance, auf die er gewartet hatte. Er hetzte den Rest des sachte aufwärts führenden Ganges entlang. Malibu sprach laut und mit Nachdruck. Sie hörte ihn nicht kommen. Sie hatte den Arm mit der Waffe in der Hand und nach vorne gereckt. Er umfaßte sie mit aller Kraft. Sie gab einen Laut der Überraschung von sich, mehr nicht. Er verstärkte den Druck auf ihren rechten Arm, bis sie die Waffe fallen ließ.
Dann drehte er sie zu sich herum und begann, die Vermummung zu entfernen.
Sie ließ es sich ohne Widerstand gefallen. Über dem Kopf trug sie eine Kapuze aus leichtem, aber widerstandsfähigem Stoff. Für die Augen waren kleine Schlitze geschnitten. Er beugte sich rasch zur Seite, als er ihr das Ding vom Schädel zog, und das Manöver erwies sich noch im selben Augenblick als durchaus angebracht. Malibu spie ihn an, aber dank seiner Ausweichbewegung traf sie ihn nicht. In ihren Augen brannte der Zorn. „Was willst du von mir?" schrie sie. „Ist Sysu-Mat auch einer deiner Liebhaber?" spottete er. „Ich will verhindern, daß er auf dieselbe Weise verlorengeht wie Pyi-Gee-Hir."
Er faßte sie bei den Schultern und drehte sie so, daß der Topsider ihr ins Gesicht sehen konnte. „Das ist der Beweis, nach dem wir gesucht haben< sagte Sysu-Mat. „Ihr Dummköpfe! Ihr Trottel!" zeterte Malibu Varozza. „Was nützen euch die Beweise? Ob ich den Topsider fasse oder nicht, spielt jetzt keine große Rolle mehr. Auf solche Eventualitäten sind wir vorbereitet."
„Das mag wohl sein", lachte Atlan. „Aber jetzt haben wir dich. Es wird Reno Yantill wohl schwerfallen, seine Pläne durchzusetzen, wenn bekannt wird, daß seine Adjutantin damit beschäftigt ist, die Mitglieder der Opposition zu entführen und mundtot zu machen."
„Du wagst es nicht, mich festzuhalten", giftete sie. „Was gäbe es dabei zu wagen?" fragte er abfällig. „Wenn ich bis Mitternacht nicht zu Reno zurückgekehrt bin, wird er Rechenschaft von dir fordern."
Ihre Stimme war heiser. Sie hatte endgültig die Beherrschung verloren. Atlan hielt sie an einem Arm fest, während er sich bückte, um die Waffe aufzuheben. „Dazu müßte er erstens wissen, daß ich es bin, der dich einkassiert hat", sagte er, „und zweitens ist mir vor deinem Freund Reno Yantill nicht bange."
„Du Schwein! Ich ..."
„Ruhe jetzt!" fuhr er sie an. Sie zuckte zusammen. Er wandte sich dem Weisen zu. „Ich nehme sie mit", erklärte er. „Du bist hier nicht sicher. Ich schlage vor, du kommst mit mir."
Er hatte Malibu unterschätzt. Sie besaß beachtliche Körperkräfte. Mit einem Ruck riß sie sich los. Sie stürmte in Richtung des Ausgangs, aber das war nur eine Finte. Als Atlan hinter ihr herlief, fuhr sie herum und warf sich ihm entgegen. Ihr erster Schlag kam so überraschend, daß er ihn nicht mehr abblocken konnte. Mit voller Wucht traf ihn die Faust an der Kinnlade. Er prallte zurück, vor Schmerz benommen. Malibu setzte hinterher. Er hatte den Geschmack von Blut auf der Zunge und Tränen in den Augen. Den zweiten Schlag wehrte er mit hochgerissenem Arm ab. Der Finger fand wie von selbst den Auslöser der Waffe. Für den Bruchteil einer Sekunde war das helle, zornige Summen des Paralysators zu hören. Malibu hielt mitten im Lauf an, als sei sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Sie gab ein halblautes, ächzendes Geräusch von sich und brach zusammen.
Atlan stand eine Zeitlang wie erstarrt. Er wußte nicht recht, wie ihm geschah.
Der vehemente Angriff der vor Wut fast um den Verstand gebrachten Frau war selbst für ihn, den in allen Lebenslagen Erfahrenen, zu überraschend
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