1428 - Wächter der BASIS
sich hinein; es konnte dafür nur einen Grund geben. Der große Mann war als unverbesserlicher Nörgler bekannt, der sich über jede Kleinigkeit aufregte. Also hatte es nichts gegeben, was irgendwelche Aufregung lohnte. Immerhin bewährten sich die neuen Vierstundenschichten in dieser Richtung: Vier Stunden Langeweile waren leichter zu ertragen als acht.
Pidder machte einen kurzen Rundgang und warf einen Blick auf sämtliche wichtigen Instrumente. In der Tat war alles normal. Dabei begrüßte er die beiden Besatzungsmitglieder, die außer ihm Dienst taten und etwas später abgelöst würden. Weder die Frau noch der Mann waren ihm näher bekannt.
Seinen Beutel stellte er neben dem Kommandopult ab. Dann suchte er sich eine bequeme Sitzhaltung, die er einige Zeit durchhalten konnte, und starrte auf die Panoramagalerie. Der Syntron projizierte automatisch ein Abbild des leeren Alls ringsum. Nur ab und zu huschte ein optisch stark vergrößertes Bauteil der BASIS vorbei.
Der Einsatzplan für womöglich auftauchende Fremdschiffe stand. Schon nach wenigen Sekunden Ortung würde die MONOCEROS zwischen Plünderern, Hilfsbedürftigen und zufälligen „Gästen" unterscheiden. Es gab detailreich abgestufte Einsatzpläne, doch die Entscheidung lag in jedem Fall bei Ginsen Khartu. „Gibt es schon neue Entwürfe?" erkundigte er sich bei dem Mann, der ein paar Meter weiter von seinem Pult aus die Anzeigen schiffsinterner Vorgänge im Auge behielt. „Von der Gestaltungskommission Schwimmbad, meine ich."
„O ja! Du mußt es dir unbedingt angehen! Gerade vor einer Stunde ist ein neues Bild hereingekommen, noch lustiger als das letzte!"
„Syntron", sagte Pidder deutlich, „ich möchte die Darstellung auf den großen Holomonitor vor meinem Pult."
Noch in derselben Sekunde erschien ein Meer aus schmutzigroten und grünlichen Farbtönen. Die rötlichen Gebilde stellten offenbar Pflanzenwuchs dar, während die grüne, scheinbar flüssige Substanz die neue Schwimmrinne sein sollte. Durch eine dichte Wolkendecke drangen nur wenige Sonnenstrahlen undefinierbarer Farbe. „Was soll das sein?" stöhnte er in fast komischer Verzweiflung. „Es steht drunter", sagte der andere Mann. „Das ist wirklich einer der neuen Entwürfe. Nur, wer soll in dieser grünen Brühe baden? Das wäre eine gute Mutprobe, aber keine Entspannung."
Pidder entzifferte mühevoll die Schrift unter der verkleinerten Darstellung. STROMDELTA AUF CYN-THICA 5, stand da, BEI MORGEN-DÄMMERUNG. ENTFERNUNG TERRA: 3400 LJ.
Schaudernd ließ er die Darstellung verschwinden.
Trotzdem begriff er den Entwurf als schöpferische Tätigkeit, die zumindest einen Teil der Mannschaft von der eigentlichen Problematik ablenkte. So würden sie nicht ständig an ihr Zuhause denken. Sie würden versuchen, das Stromdelta durchzusetzen und andere Planungsgruppen somit auszustechen.
Eine vergleichsweise gesunde Form der Problembewältigung. Fast siebenhundert verlorene Jahre ... Und nun dieser Wachtposten zehntausend Lichtjahre entfernt von Hangay, völlig im Ungewissen über das Schicksal der übrigen Schiffe der Tarkan-Flotte.
In drei Stunden und vierzig Minuten würde Wrede Parnelle ihn ablösen.
Während der letzten Tage hatte Pidder über sie nachgedacht. Wann immer er ihr Bild vor Augen hatte, fielen ihm unwillkürlich zuerst die Worte schüchtern und unerotisch ein. Das hatte seinen Grund in der Zeit vor dem Stasisfeld. Aber auch für Wrede Parnelle sah die Welt heute offenbar etwas anders aus. Vielleicht hatte sie Verwandte verloren, vielleicht einen Geliebten auf der Erde. Jedenfalls reagierte sie. Sie wagte sich um ein winziges Stückchen aus ihrem Schneckenhaus hervor.
Und das Ziel dieses Vorstoßes war er, Pidder Dawuhd, der Cheftechniker der Ortung.
Weshalb sie es auf ihn abgesehen hatte?
Er wußte es nicht sicher. Doch er vermutete, daß sein väterliches Gebaren daran schuld war. Er genoß das Vertrauen der Leute, und Wrede hatte deshalb zu ihm rascher Zuneigung fassen können als zu anderen Personen. Ihre Kritik an seinen Verhaltensweisen war nur Ausdruck dieser Tatsache, denn früher hätte sie niemals gewagt, etwa seinen Alkoholkonsum anzuprangern.
Ja, so lagen die Dinge. Wrede Parnelle hatte sich in ihn verliebt.
Und Pidder gestand ehrlich ein, daß auch er reagierte. Sonst hätte er nicht ständig an Wrede denken müssen und sich die Frau mit anderen Frisuren vorzustellen versucht.
Dennoch war er mit den eigenen Gefühlen uneins. Sollte er sie ermutigen
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