143 - Das Böse wohnt in Harkerville
Wolfslichtern ging eine hypnotische Kraft aus, die Jagger gefangennahm. Er konnte sich nicht von der Stelle rühren, bekam aber weiter alles mit, was passierte..
Es war grauenvoll. Vier weitere Werwölfe erschienen. Alle etwa gleich groß und gleich kräftig wie Gerry Blackburn. Klatschnaß waren sie.
Sie sprangen die Stufen herunter und knurrten die Landstreicher feindselig an Blackburn, der ihr Anführer, der Leitwolf zu sein schien, wies mit seiner Krallenpranke auf Dean Courtway.
Der Landstreicher schüttelte verstört den Kopf. »Nein! Um Himmels willen, was habt ihr mit mir vor?«
Die Ungeheuer stürzten sich auf ihn. Er brüllte seine wahnsinnige Angst heraus und wehrte sich verzweifelt. »T-o-o-o-m-!« schrie er unglücklich. »Hilf mir! So hilf mir doch! Du hast mir das eingebrockt! Du bist schuld…«
Tom Jagger konnte nichts für ihn tun, er konnte sich nicht einmal selbst helfen. Wie gelähmt stand er da und sah zu, was sie mit seinem Freund machten.
Ein paar Prankenhiebe genügten, dann war Courtway so schwer benommen, daß er sich kaum noch wehrte. Er schrie wie von Sinnen, als sie ihn zum Wolfskreuz zerrten und daran festbanden.
»Laßt mich!« bettelte er. »Was habt ihr mit mir vor? Das könnt ihr doch nicht…«
Sobald der Mann festgebunden war, traten die Werwölfe zurück. Sie machten Platz für Blackburn. Dieses Rudel tötete seine Opfer nicht irgendwo draußen wie ein wilder Haufen. Es geschah während eines Rituals!
Sekundenlang passierte nichts. Blackburn stand vor dem schreienden Opfer und schien sich an dessen Angst zu laben. Plötzlich breitete er die Arme aus, und im nächsten Moment duckte sich das Feuer der Fackeln.
Unheimliche, unbegreifliche Kräfte füllten den Keller. Die Wölfe fingen an zu knurren, wurden immer lauter - und dann biß der Leitwolf zu!
***
Dean Courtways Todesschrei zerfetzte die hypnotischen Bande, die Tom Jagger festhielten. Während die Werwölfe in einen entsetzlichen Blutrausch verfielen und Jagger nicht beachteten, stürmte dieser, wie von Furien gehetzt, die Kellertreppe hinauf.
Er hatte noch nie so schreckliche Angst gehabt. Sie zu ertragen, ging fast über seine Kräfte. Sie war aber gleichzeitig auch eine ungemein starke Triebfeder, die ihn vorwärtspeitschte.
Weg! Weg! Nur weg! schrie es in ihm.
Er verlor seinen Mantel, ließ ihn liegen, kehrte nicht um. Mit langen Sätzen erreichte er die Tür, die er aufgedrückt hatte. Er öffnete sie, und wenig später patschte er durch den kalten, strömenden Regen.
Er begriff nichts mehr, reagierte nur noch. Sein Selbsterhaltungstrieb lenkte ihn. Er sah kaum, wo er sich befand. Er lief auf keinem Weg, auf keiner Straße.
Er hastete einfach vorwärts, fort von diesem grauenvollen Haus und diesen blutrünstigen Bestien.
Er hatte seinen besten und einzigen Freund verloren, war erschüttert, wollte nicht so enden wie Dean. Ich hätte auf ihn hören sollen, hallte es in ihm. Er hat die Gefahr gespürt, und ich machte mich über ihn lustig, nahm ihn nicht ernst. Es tut mir leid, Dean, so furchtbar leid.
Jagger konnte sich nicht erklären, woher er die Kraft nahm, sich noch auf den Beinen halten zu können. Er lief schneller als je zuvor, und seine Ausdauer verblüffte ihn.
Zweige geißelten ihn. Bäume verstellten ihm den Weg, so daß er immer wieder ausweichen mußte. Er schaute nicht zurück, denn er hatte Angst vor der Wahrheit, die er im Grunde auch so kannte.
Er spürte, daß er die Werwölfe auf den Fersen hatte. Er wollte sie nicht auch noch sehen. Atemlos hetzte er einen bewaldeten Hang hinauf.
Manchmal überkletterte er glatte, glitschige, moosbewachsene Felsen. Der Hang wurde immer steiler. Er hörte weiter unten die Verfolger durch das Unterholz brechen, und er fragte sich, wie lange er noch durchhalten würde.
Konnte es ihm überhaupt gelingen, die Wölfe abzuhängen? Schob er sein Ende damit nicht nur geringfügig heraus? Sollte er aufgeben?
Niemals! dachte er trotzig. Solange ich noch einen Schritt tun kann, laufe ich weiter!
Da war ein rutschiger Pfad. Armdicke Wurzeln erschwerten dem Landstreicher das Laufen. Er sah sie kaum, stolperte, ruderte mit den Armen, fing sich wieder, rannte weiter.
Der Pfad führte zu einer ausgewaschenen Straße. Ein brauner, schlammiger Sturzbach schoß auf Jagger zu. Er sprang darüber weg und lief die Straße hinauf.
Wohin mochte sie führen?
Sie schlängelte sich durch den Wald und endete vor einem großen, finsteren Schloß, das von einer Mauer
Weitere Kostenlose Bücher