1432 - Die Fratze der Nonne
er nicht tot war. So schnell starb ein Mensch nicht.
Jetzt hatte sie freie Bahn.
Und sie setzte ihr Versprechen auf grausame Weise in die Tat um…
***
Das Zeitgefühl hatte Johnny Conolly längst verloren. Aber er merkte, dass die Dunkelheit allmählich verschwand und er aus den Tiefen wieder hoch ins Bewusstsein stieg.
Das Gefühl war relativ neu für ihn. Obwohl er seine Augen bewegte und sie auch öffnete, war es ihm nicht möglich zu sagen, wo er sich befand. Alles in seiner Nähe war ihm fremd. Er merkte nur, dass er auf dem Boden lag und sein Kopf um das Doppelte angewachsen sein musste. So jedenfalls fühlte er sich an.
Jemand stöhnte. Erst nach einigen Sekunden fiel ihm auf, dass er selbst das Stöhnen von sich gegeben hatte. Und er begriff, dass er auf dem Rücken lag. Er konnte nur nach oben schauen und sah etwas über sich, das er sich nicht erklären konnte.
Erst langsam wurde ihm bewusst, dass er sich in einem Zimmer aufhielt und sich über ihm der rechteckige Ausschnitt einer Decke abzeichnete. Damit kehrten auch die Erinnerungen zurück, obwohl es ihm schwer fiel, sich das alles vorzustellen, was er erlebt hatte.
Aber sie waren da, sie ließen sich auch nicht abschütteln, und er spürte, dass ihm Hitzewellen durch den Kopf schossen. Es war etwas Grauenhaftes passiert. Er dachte an die Verwandlung der Nonne. Er dachte auch daran, dass er niedergeschlagen worden war, und dann fiel ihm ein, dass er nicht mit der Nonne allein in der Wohnung gewesen war.
Da hatte es noch einen Mann gegeben!
Johnny versuchte, sich an dessen Namen zu erinnern. Er hatte seine Probleme damit. Die Nachwirkungen des Faustschlags waren nicht so leicht zu verdauen. Er kämpfte verbissen dagegen an, und ihm war bald klar, dass er nicht auf dem Boden liegen bleiben durfte. Er musste sich aus dieser Lage befreien.
Johnny wälzte sich auf die Seite. Er spürte sofort den leichten Schwindel, der ihn schon bei dieser geringen Bewegung erfasste.
Über seine Lippen drang ein keuchender Laut, der im Zimmer widerhallte.
Johnny wusste, dass er Probleme bekommen würde, wenn er aufstehen würde, doch er hatte keine andere Wahl.
Er startete den ersten Versuch.
Er drehte sich vorsichtig auf den Bauch. Dann nahm er seine Hände zu Hilfe, um sich in die Höhe zu stemmen. Seine Arme zitterten.
Er machte dennoch weiter. Johnny war zäh. Aufgeben kam für ihn nicht in Frage. Dazu hatte er in seinem nicht sehr langen Leben schon zu viel erlebt. Und so drückte er sich langsam hoch, wobei der Schwindel und die leichte Übelkeit zurückkehrten, die ihm das Gefühl gaben zu schweben.
Zur Hälfte hatte er es geschafft. Er saugte die Luft ein. In seinem Kopf drehte es sich, aber er schaffte es, eine Weile in dieser Haltung zu bleiben.
Dass er plötzlich kniete, darüber war er selbst überrascht, und er brach auch nicht zusammen.
Er richtete seinen Blick nach vorn, und dabei fiel ihm auf, dass der Boden und die Wände des Zimmern schwankten. So wie er musste sich jemand fühlen, der sich bei Seestärke acht auf den Planken eines Schiffs befand.
Hinzu kam, dass er die Umrisse nicht so klar wahrnahm, wie es eigentlich hätte sein müssen. Die Perspektive wirkte verzerrt, doch als er sich allmählich an seine Lage gewöhnt hatte, erkannte Johnny, dass jemand vor ihm auf dem Boden lag. Er hatte seinen Platz zwischen Tür und Sofa eingenommen.
Zugleich erlebte er noch etwas.
Über ihn hinweg strich ein Luftzug, der nur entstehen kann, wenn etwas offen stand.
Das Fenster war es nicht.
Die Tür?
Seine Gedanken klärten sich allmählich, und Johnny hätte sich schon umdrehen müssen, um Bescheid zu wissen, aber das war nicht drin. Das ging in seinem jetzigen Zustand einfach nicht. Er wäre bei der ersten zu heftigen Bewegung zur Seite gekippt und liegen geblieben.
Stattdessen konzentrierte er sich auf das, was vor ihm am Boden lag.
Es war ein Mann! Und er kannte ihn, denn er hatte ihn auch schon vor seiner Bewusstlosigkeit gesehen.
Sid!
Der Name war ihm plötzlich eingefallen, und Johnny freute sich über diesen kleinen Fortschritt.
Er stemmte sich mit zitternden Armen noch höher, riss die Augen auf, und seine Sicht klärte sich allmählich.
Er sah, was mit dem Mann passiert war. Der Anblick war ein Schock für ihn. Er wandte heftig den Kopf ab. Dabei knickte ihm der linke Arm weg, und er brach wieder zusammen.
Obwohl er aus dieser Position heraus den Toten nicht mehr sah, schloss er trotzdem die Augen. Das Bild wollte dennoch
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