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1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel

1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel

Titel: 1433 - Der Engel, die Witwe und der Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Grabstein.
    Und dort sahen wir beide ein Gesicht!
    ***
    Wieder war ich in eine Situation geraten, die ich nicht hatte voraussehen können. Mit dieser Veränderung auf dem Grab hatte keiner von uns rechnen können.
    Unsere Blicke blieben am Grabstein haften. Er war groß genug, um das Gesicht deutlich erkennen zu lassen. Es war zudem heller als der graue Stein und zeichnete sich dementsprechend gut ab. Zwar nicht scharf konturiert, doch immerhin noch so, dass wir auch Einzelheiten erkennen konnten.
    Es gibt Menschen, die kann man als gesichtslos bezeichnen, obwohl sie ein Gesicht haben. Das waren Gesichter, die man schnell wieder vergaß. Sie waren dann einfach zu flach und zu ausdruckslos, um in Erinnerung zu bleiben. Das erkannte ich hier sehr deutlich. Auch dieses Gesicht hatte sich wie ein hellerer Schatten über das Gestein gelegt, aber ich sah dabei noch mehr.
    Es gab keinen Ausdruck. Mir kam der Vergleich mit einem halb fertigen Porträt in den Sinn, bei dem die Umrisse stimmten, die wichtigen Einzelheiten aber, die dem Werk Leben einhauchten, fehlten. Treffender hätte ich dieses Gesicht beim besten Willen nicht beschreiben können.
    Es dauerte eine Weile, bis wir uns beide von dieser Überraschung erholt hatten. Ich hatte natürlich nicht vor, es einfach so hinzunehmen, und wollte schon mehr erfahren, aber die Frage der Witwe hielt mich auf.
    »Wer ist das? Kennen Sie das Gesicht?«
    »Nein, leider nicht. Es ist mir völlig unbekannt.«
    »Können Sie sich denn nicht denken, wer das…?«
    »Ja, der Sprecher oder die Sprecherin. Man weiß ja nicht, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt.«
    »Dann gibt es ihn also doch!«
    »Sicher.«
    »Aber wo?«
    Auf diese Frage hatte ich gewartet und gab auch die mir einzig richtig erscheinende Antwort.
    »Bestimmt nicht in dieser Welt, in der wir leben, Mrs Finley. Sie stammt aus einer anderen Dimension. Man kann sie auch als andere Welt bezeichnen.«
    »Das Jenseits«, flüsterte Kate mit Zitterstimme.
    »Ich weiß es nicht, Kate. Und das ist keine Ausrede. Das Jenseits ist einfach zu vielschichtig. Daran müssen Sie denken. Man kann es nicht einfach als einen Begriff abtun. Da gibt es schon gewisse Unterschiede und Abstufungen.«
    »Wieso wissen Sie das so genau?«
    »Nehmen Sie es einfach hin.«
    Sie warf mir einen Seitenblick zu, schaute sich auch das Kreuz noch mal an und hob dann die Schultern. Aber das Gesicht hatte sie nicht vergessen.
    »Es sieht so traurig aus, finde ich!«
    »Denken Sie an die Botschaft, Kate. Klang die nicht ebenfalls sehr traurig?«
    »Leider. Ich hatte das Gefühl, dass er oder sie…«, Kate deutete auf das Gesicht, »… kurz vor dem Weinen stand. Wer immer mir die Botschaft überbracht hat, er war einfach fertig. Er konnte nicht mehr. Er hat sich wahnsinnig gequält, glaube ich.«
    »Und trotzdem muss er etwas gutmachen. Haben Sie darüber auch nachgedacht?«
    Sie bestätigte meine Frage mit einem »Ja« und zugleich mit einem ruhigen Nicken.
    »Und?«
    »Ich weiß, dass es dabei um meinen verstorbenen Mann geht. Das habe ich schon in der Leichenhalle erfahren. Er hat ihn nicht retten können und will jetzt etwas wieder gutmachen. Nicht nur an mir. Auch an den Menschen, die das Grab hier besuchen. Er muss wirklich eine große Schuld auf sich geladen haben.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.« Jetzt deutete ich ebenfalls auf den schwachen Gesichtsabdruck.
    »Können Sie sich jetzt nach unserem Gespräch vorstellen, wer oder was diese Person ist?«
    »Nicht genau…«
    »Haben Sie eine Idee?«
    Kate Finley bewegte sich neben mir so, dass sie mir ins Gesicht schauen konnte.
    Noch traute sie sich nicht, aber ich störte sie nicht mit weiteren Fragen und ließ sie reden. Das tat sie, nachdem ich kurz gelächelt hatte.
    »Es klingt absurd, doch wenn ich darüber nachdenke, was wir alles gesagt haben, dann kann es nur eine Möglichkeit geben. Diese Person dort ist ein Engel…«
    Sie hatte die letzten Worte leise ausklingen lassen. Wie jemand, der seiner Sache nicht so ganz sicher ist, aber sie sah jetzt, dass ich ihr nicht nur zulächelte, sondern auch nickte.
    Ein tiefer Atemzug. »Meinen Sie das auch?«
    »Ja, Mrs Finley, das meine ich auch. Ich denke, dass Ihr Beschützer ein Engel ist, und zwar einer, der noch etwas gutzumachen hat, weil er mal versagte.«
    »Bei meinem Mann, nicht wahr?«
    »Das kann man so sagen. Und jetzt will er nicht, dass Ihnen auch noch etwas passiert.«
    So weit hatte Kate Finley noch nicht gedacht. Sie

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