Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1438 - Kinder der Retorte

Titel: 1438 - Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
„Ich bin ein Befürworter des Klonens wie alle aus meinem Volk", fuhr die Stimme fort. „Es ist meine feste Überzeugung, daß neues Leben nicht unkontrolliert sprießen darf, daß nicht irgendwelche erbärmlichen Geschöpfe in schmuddeligen Hinterhöfen zeugen und gebären sollten - es ist wider allen Fortschritt, die Erschaffung neuen Lebens dem Zufall zu überlassen und so Mutationen und Mißbildungen an Geist und Körper zu fördern. Die Antwort auf den willkürlichen Schöpfungsakt ist das Klonen. Ihr und die anderen Invitros solltet Musterbeispiele des neuen Denkens des fortschrittlichen Geistes unserer Zeit sein.
    Doch leider gibt es Mißgeburten unter euch, die unseren Ambitionen Hohn sprechen."
    Man hatte sie mit der Begründung in den Gemeinschaftsraum befohlen, ihnen wichtige Ankündigungen machen zu wollen. Nachdem sie alle versammelt waren, ging das Licht aus, und dann passierte lange Zeit nichts - bis dieser Clynac, von dem sie immer noch nicht wußten, wer er war und welche Position ihm zukam, zu sprechen begonnen hatte.
    Auf Plinal verfehlte diese Psychofolter ihre Wirkung nicht: Er verkrallte sich förmlich in Aribos Oberarm, sein Atem ging keuchend. Aribo selbst wunderte sich, daß er keinen seiner gefürchteten Schweißausbrüche bekam. „Der Lebensweg der meisten von euch, der gesunden und wertvollen Klone, ist vorgezeichnet", ließ sich Clynac wieder vernehmen; seine Stimme kam nun wieder aus einer anderen Ecke. „Ihr werdet in die Fußstapfen eurer Schöpfer treten, selbst zu Gentechnikern werden. Aber was soll aus den anderen werden, die als Klone zu bezeichnen mir zutiefst widerstrebt - es ist nutzloser Gen-Müll. Was also soll mit diesem Müll geschehen?"
    Es entstand neuerlich eine Pause, und in der Stille war von verschiedenen Seiten Räuspern und Keuchen zu hören. „Ich werde den siebzehn Noch-Invitros die Antwort geben", sagte Clynac. In diesem Moment erstrahlte plötzlich eine ovale Lichtquelle über den Köpfen der Versammelten, geisterte suchend durchs Dunkel, bis sie ein Ziel erfaßt hatte und es mit ihrem Schein für alle sichtbar markierte: die Mundpartie eines Humanoiden, mit vollen, sinnlich wirkenden Lippen. Diese Lippen bewegten sich zu den folgenden Worten: „Gen-Müll ist nicht lebensberechtigt und wird darum ausgesondert. Manchmal findet er Verwendung für weitere Experimente, weil man etwa wissen will, warum etwas so ganz anders und gegen die eigene Absicht, so anders und minderwertig geworden ist. Ein andermal wird Müll wiederverwertet, in den Recycling-Prozeß integriert - zumeist aber weggeworfen. Es gibt aber auch Sonderfälle, in denen diesem Müll eine besondere Bedeutung zukommt. Dann nämlich, wenn ich mich seiner annehme.
    Man könnte meinen, daß ihm damit zuviel der Ehre zuteil wird, wenn sich jemand von meinem Status seiner annimmt. Mehr Ehre eigentlich, als dem gesunden und rechten Klon zuteil wird, denn keiner von diesen wird vermutlich je von sich sagen können, daß er die besondere Aufmerksamkeit eines Cantaro in Anspruch nehmen durfte."
    Damit hatte Clynac sein Inkognito gelüftet: Er war einer jener geheimnisvollen Drahtzieher im Hintergrund, ein Schutzherr aller Klonprozesse auf Aralon - er war ein Cantaro. Jetzt erhob sich ein vielstimmiges Raunen, denn selbst die Muster-Klone vom Schlage eines Servon oder Candar mußten ihrer Ehrfurcht Luft machen. „Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, den Miesen langes Leben und ein Ungewisses Schicksal zu ersparen", sprach der Cantaro Clynac nicht ohne Hohn weiter. „Mit anderen Worten, ich befördere sie vom Leben zum Tod. Ich bin ihr Henker!"
    Es entstand eine kurze Pause, in der Clynac seine Worte wirken ließ, und sie verfehlten bei Plinal ihre Wirkung auch nicht, sie brachten ihn zum Zittern, verursachten ihm einen Schüttelfrost.
    Clynac fuhr fort: „Freilich, und das hat die Erfahrung gezeigt, empfindet mancher Mißratene meine Hilfeleistung keineswegs als Gnade, entdeckt plötzlich eine perverse Liebe zum nichtsnutzigen Leben, flieht, wehrt sich gegen sein Schicksal. Diesen Erbärmlichen rufe ich zur Aufmunterung zu: Tut alles, um mir zu entwischen! Nutzt eure bescheidenen Möglichkeiten, mir die Sache zu erschweren, denn je mehr ich gefordert werde, desto mehr Spaß macht die Klonjagd. Allen, die gewillt sind, die Herausforderung anzunehmen, möchte ich einige Anhaltspunkte geben. Ich möchte anonym bleiben. Aber drei Merkmale, an denen ihr mich erkennen könnt, will ich euch verraten. Prägt sie

Weitere Kostenlose Bücher