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144 - Der Flug der Todesrochen

144 - Der Flug der Todesrochen

Titel: 144 - Der Flug der Todesrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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schlichten Programme sind, sondern aus aufgespielten Erinnerungen echter Menschen bestehen. Verstehen Sie, was das bedeutet? Wir haben es hier mit wirklicher Intelligenz zu tun, die sich kaum noch von der Kreativität eines echten Menschen unterscheidet. Bisher gibt es nur zwei kybernetische Systeme auf der Welt, die so funktionieren. Das des Androiden Miki Takeo und – erst seit kurzem – das seines Sohnes, des Cyborgs Aiko Tsuyoshi. Mit dem Projekt U-Men können wir jetzt Tausende künstlicher Cyborgs produzieren, die diesen beiden Kerlen auch noch geistig überlegen sind, weil wir aus Hunderten von gescannten Gehirnwellen die besten Aufzeichnungen zusammengestellt und zu einem perfekten Charakter optimiert haben.«
    »Soll das heißen, diese Monst… ähem, U-Men besitzen einen eigenen Willen?«, fragte Ellen Moore überrascht.
    »Mit gewissen Einschränkungen – ja.« Arthur Crow lächelte. »Natürlich wird ihnen unterschwellig völliger Gehorsam gegenüber ihren Schöpfern eingepflanzt. Takeo ist schließlich nicht blöd. Und wir ebenso wenig.«
    Professor Moore erschauerte sichtlich bei dem Gedanken, von einer Legion künstlicher Soldaten umgeben zu sein, die sich jeden Augenblick aus den Nährbädern erheben und zum Kampf antreten konnten.
    »Das klingt alles sehr komplex«, sagte sie vorsichtig. »Wie hoch schätzen Sie das Risiko ein, dass etwas schief laufen könnte? Es gibt doch sicher ein Worst-Case-Szenario?«
    »Nicht mehr«, antwortete Crow, sichtlich erfreut über ihre prompt entgleisenden Gesichtszüge. »Mir scheint, Ihnen ist immer noch nicht klar, wie weit wir schon fortgeschritten sind, Mrs. Moore. Das Experimentierstadium liegt weit hinter uns. Was Sie hier sehen, sind keine Prototypen, wir befinden uns längst mitten in der Massenproduktion.«
    Um seine Worte zu unterstreichen, winkte Crow einen der Soldaten heran, die links und rechts der verglasten Messwarte standen. Bei dem Herantretenden handelte es sich um einen athletisch gebauten Corporal mit breiten Schultern, der sein blondes Haar so kurz trug, dass die Kopfhaut zwischen den Stoppeln hervor schimmerte.
    »Wie ist dein Name, Soldat?«, fragte Crow den Uniformierten, der keinerlei Rangabzeichen trug.
    »U-Man Twentyfour«, gab der Angesprochene bereitwillig Auskunft. Seine Stimme klang weder markig noch knallend hart, sondern weich und freundlich.
    Crow stellte dem vollkommen menschlich wirkenden Soldaten die neue Projektleiterin vor und erklärte, dass er ihr einen Beweis für die Serienreife der U-Men liefern wollte.
    »Knie nieder und schlag ein Loch in den Boden«, befahl er dann.
    U-Man Twentyfour zögerte. Die Stirn in Falten gelegt, schien er die Ernsthaftigkeit des Befehls abzuwägen, und antwortete schließlich: »Das kann ich nicht. Dafür bin ich nicht stark genug.«
    »Ich weiß.« Crow nickte zufrieden. »Es geht auch nur darum, deinen Gehorsam zu demonstrieren. Also führ den Befehl aus und schlag so fest zu, wie du nur kannst.«
    Ellen Moore wollte Protest gegen diesen erniedrigenden Befehl einlegen, doch ehe sie das erste Wort heraus hatte, kniete der Soldat schon nieder und prügelte mit der rechten Faust auf den vor ihm liegenden Beton ein. Bereits nach dem dritten Schlag stieg ein schmatzendes Geräusch auf, das klang, als ob eine überreife Frucht zerplatzt wäre. Der Boden färbte sich rot, doch U-Man Twentyfour schlug unbeirrt weiter zu, ohne das geringste Anzeichen von Schmerz zu zeigen.
    »Das reicht«, stoppte Crow endlich das würdelose Schauspiel. »Steh auf und zeig uns deine Hand.«
    Der Soldat präsentierte gehorsam die aufgeschlagenen Fingerknöchel. Alle vier schwammen im eigenen Blut. Zwei Risse klafften so tief im Fleisch, dass die Plysteroxknochen darunter hervor schimmerten. Einen überzeugenderen Beweis für die Herkunft des Soldaten gab es wohl nicht, trotzdem hielt sich Professor Moores Begeisterung in Grenzen. Eine weniger drastische Vorführung wäre ihr lieber gewesen.
    Wütend sah sie von der blutigen Hand zu Arthur Crow und sprach kein Wort.
    »Ist gut, Soldat«, gab sich dafür der Präsident doppelt zufrieden. »Pfleg deine Wunde und wisch dann dein Blut vom Boden auf.«
    »Zu Befehl, Sir.« Freundlich lächelnd trat Twentyfour zur Seite und steckte seine verletzte Faust in das nächststehende Nährstoffbad. Sofort schossen einige Nanobots heran und begannen Biomasse auf die offenen Stellen aufzutragen.
    »Beeindruckend, nicht wahr?«, fragte Crow, der zufrieden weiter ging.
    Ellen Moore

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