144 - Der Flug der Todesrochen
anregenden Gefühlsrausch. (Damit vernachlässigst du deine Pflichten.)
Der angesprochene Daa’mure sah sich nach dem Ursprung der telepathischen Stimme um, die ihn rügte. Zum Glück gehörte sie Veda’hal’fiio, der nur eine Hierarchiestufe über ihm stand.
(Bereite schon einmal die Tränke vor), verlangte der Hal, beide Klauenhände in Art der Primärrassenvertreter in die schuppigen Hüften gestützt. (Sobald das Transportmodell die Eier abgegeben hat, muss es sofort Flüssigkeit aufnehmen.) (Was gibt es da groß vorzubereiten?),
fragte Veda’lin’mawil. (Die Bio-Organisation kriecht zu der Bergquelle und säuft wie immer.) Er unterdrückte den Wunsch, laut zu antworten, weil das den Hal nur noch misstrauischer gemacht hätte.
Dabei spürte Veda’lin’mawil seinen Echsenkörper viel besser, wenn er die Stimmbänder einsetzte.
(Trotzdem muss kontrolliert werden, ob an der Quelle alles in Ordnung ist), forderte der Bewährte beharrlich. (Unsere Aufmerksamkeit darf nicht nachlassen, auch wenn wir den Primärrassenvertretern vielfach überlegen sind.) (Ich mache mich sofort auf dem Weg), lenkte Veda’lin’mawil ein, konnte aber nicht vermeiden, dass ihn eine Woge des Zorns durchlief.
Es ärgerte ihn, dass die Aufgabe des Hals die einströmenden Emotionen zum Versiegen brachte. Gleichzeitig registrierte er, dass die aufkeimende Wut genauso gut geeignet war, sich selbst bis in die letzte Schuppe zu spüren.
Wut entfaltete also eine ähnliche Wirkung wie Freude, Sättigung und Wärme. Gut zu wissen.
Veda’lin’mawil schwelgte in der neuen Erkenntnis, ohne zu merken, dass er schon wieder die Welt um sich herum vergaß.
Eine weitere Ermahnung des Bewährten zwang ihn dazu, sich von allen Gefühlen abzuschotten.
Während dieser Verschmelzung spürte er nämlich deutlich, dass sich der Hal langsam fragte, ob etwas nicht in Ordnung sei.
Für den Rest des Transportes präsentierte sich Veda’lin’mawil deshalb von seiner besten Seite, obwohl er sich die ganze Zeit danach sehnte, noch einmal so starke Emotionen zu empfinden wie beim Anblick der Strohpuppe.
***
Portal B, Oberflächenresidenz der Bunkerstadt Ramenki
Die russischen Technos arbeiteten viel besser mit den einheimischen Barbaren zusammen als ihre Kollegen in London. Das wurde schon im Anflug auf das Bolschoi-Gebäude deutlich. Die massiven Bauaktivitäten rund um das ehemalige Theater waren längst abgeschlossen. Saubere, frisch verputzte Bauten mit kleinen Türmen und Erkern bildeten ein großes Karree, in dem Radfahrzeuge und moderne Kleidung dominierten. Von weitem gesehen, war dieser Sektor innerhalb der Ruinenstadt nicht mehr als ein Sandkorn am Strand, aber als der EWAT auf dem freien Vorplatz landete, erhoben sich die Stockwerke der umliegenden Wohn- und Bürohäuser wie steinerne Monumente eines neuen Zeitalters in den Himmel.
An einigen Lastandronen vorbei, die gerade Fleisch und frische Früchte anlieferten, fuhr der EWAT im Kettenmodus links am Bolschoi entlang bis zu einem großen Tor, durch das sie in den riesigen Fuhrpark gelangten, in dem zurzeit nur einige Dingis und ein ARET auf einer Wartungsgrube standen.
Techniker in blauen Monturen liefen umher, es gab aber auch mit Headsets ausgerüstete Sicherheitskräfte, die den Flugpanzer unauffällig umstellten. Obwohl ihre Ankunft angekündigt war, stellen die Russen sicher, dass sich hier keine Daa’muren einschleichen konnten.
Eine nur allzu verständliche Prozedur.
Der Flugpanzer wurde auf einen Platz im hinteren Teil der Halle gelotst. Nachdem der Reaktor von Netz genommen war, stieg die Besatzung komplett mit aus, um ihre friedlichen Absichten zu demonstrieren.
Aiko und Honeybutt wurden in Mr. Blacks Büro geführt, das der meerakanische Berater hier immer noch innehatte, obwohl er inzwischen als Zaritsch von Moska im Kreml residierte. Die EWAT-Besatzung blieb auf eigenen Wunsch beim Fahrzeug und wurde dort mit Speisen und Getränken versorgt. Verbündete hin oder her, im Herzen der fremden Machtzentrale fühlten sie sich ein wenig unbehaglich und wollten den EWAT deshalb nicht eine Sekunde aus den Augen lassen.
Aiko machte sich keine großen Gedanken wegen der britischen Gefühlslage. Ihn bewegten ganz andere Probleme.
Innerhalb des Bolschois, das viele Jahre als Ramenkis wichtigste Oberflächenschleuse gedient hatte, waren alle Spuren des einstigen Verfalls getilgt worden. Das Dach bestand jetzt aus einem Mix aus Kunststoffplatten, Sonnenkollektoren und
Weitere Kostenlose Bücher