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144 - Der Flug der Todesrochen

144 - Der Flug der Todesrochen

Titel: 144 - Der Flug der Todesrochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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großzügig bemessenen Glassegmenten, die das so lange entbehrte Sonnenlicht einließen. Risse und schadhafte Stellen in der Fassade hatte man ausgebessert und dem bestehenden Material angeglichen.
    Dort, wo einst Foyer und Theatersaal das Bild bestimmten, erstreckten sich nun lichtdurchflutete Großraumbüros, in denen für die Zukunft geplant, aber auch die Gegenwart koordiniert wurde.
    Mit Sprechsets ausgerüstete Männer und Frauen saßen vor Bildschirmen und Holoprojektionen, um Einsatzfahrzeuge und Mannschaften zu dirigieren oder die Monitore der allgegenwärtigen Sicherheitskameras zu überwachen. Nur durch eine Glaswand getrennt, folgte der nächste Bereich, in dem Berechnungen angestellt und logistische Abläufe geplant wurden. Alles wirkte offen und schien fließend ineinander überzugehen, doch die transparenten Dachsegmente bestanden ebenso aus Panzerglas wie die Zwischenwände.
    Hier konnte niemand eindringen, ohne von der Internen Sicherheit erfasst zu werden.
    Eine alte Marmortreppe führte in den ersten Stock, der auf einer neu eingezogenen Zwischendecke ruhte. Über einen grau gesprenkelten Kunsfstoffbelag marschierten sie an verschiedenen Tischgruppen vorbei, bis sie zu einer Glasfront gelangten, hinter der Mr. Blacks Büro lag.
    Ihre Ankunft war dem Zaritsch so wichtig, dass er extra aus dem Kreml ins Techno-Hauptquartier eilte. Eine Eskorte aus vier rotblau gekleideten Barbaren begleitete ihn und Mr. Hacker bis zur Glasfront. Dort blieben die Wachen zurück und die beiden Meerakaner traten alleine ein.
    »Hallo ihr beiden Rumtrei-«, setzte Collyn Hacker zu einem saloppen Gruß an, musste aber keuchend abbrechen, weil ihn Honeybutt mit einem wahren Lupasatz ansprang und so fest an sich drückte, dass ihm glatt die Luft ausging.
    »Collyn!«, rief sie erfreut, bevor sie auch ihren ehemaligen Chef umarmte. »Mr. Black! Ich freue mich so, euch zwei zusehen!«
    Ein wenig verdutzt, aber auch sichtlich von Stolz erfüllt, ließ sich der sonst so förmliche Hüne – ein Klon des früheren US-Präsidenten Arnold Schwarzenegger – von Honeybutt herzen. Noch während die Afro-Meerakanerin an seinem Hals hing, sah er zu Aiko auf, um dessen Reaktion zu beobachten.
    Der Cyborg erwiderte den Blick ohne sichtliche Regung.
    In seinem Nacken prickelte es zwar, als ob Strom hindurch fließen würde, und die Subroutinen versuchten ihm ein Gefühl der Eifersucht vorzugaukeln, doch ein anderer Teil seines Gehirns analysierte glasklar, dass nur alle davon profitierten, wenn Honeybutt sich wieder stärker ihren alten Freunden zuwendete. Darum beschloss er, keinen Versuch zu unternehmen, die Gefährtin zurückzuhalten. Er schob seine Liebe zu Honeybutt auf eine Weise zur Seite, wie sie nur kybernetische Systeme beherrschten. Ließ sie einfach in einem Archiv verschwinden, wo sie niemanden störte, bis er sie vielleicht – schon in Kürze oder erst eines fernen Tages – wieder hervor holte. Honeybutt Hardy den Abstand zu geben, den sie nun brauchte, war der größte Liebesbeweis, den er ihr zurzeit bieten konnte.
    Auch für einen Außenstehenden ohne Aikos persönliches Wissen wäre nicht zu übersehen gewesen, dass die drei ungleichen Personen, die sich dort in den Armen lagen, eine gemeinsame Vergangenheit besaßen. Dieses Trio war nämlich der klägliche Rest der Running Men, einer legendären Widerstandsgruppe, die dem Weltrat lange Zeit zu schaffen gemacht hatte. Mr. Black, ihr ehemaliger Anführer, nahm sicher nur zu gerne die Hilfe seiner alten Wegefährten in Anspruch, gerade hier, im brodelnden Moloch von Moska, das dem Kratersee so nah war und in dem Technos, Barbaren und Bluttempler seit Alters her um die Macht rangen.
    Der blonde Hüne schien zu spüren, dass eine Veränderung in der Luft lag. Ohne den Blick von Aiko zu nehmen, entließ er Honeybutt aus seinen Armen.
    Die Anspannung der letzten Monate fiel endgültig von der jungen Frau ab. Lachend wischte sie sich einige dicke Tränen aus den Augenwinkeln. Mr. Hacker, der sich ebenso vorbehaltlos über das Wiedersehen freute, streichelte ihr liebevoll über die Schulter. Honeybutt erwiderte die vertraute Geste, indem sie ihm einen laut schmatzenden Kuss aufs kahle Haupt drückte.
    In ihr Lachen mischte sich ein schluchzender Unterton, dann überwog wieder die Fröhlichkeit in ihrer Stimme.
    Wer die beiden so sah, hätte sie glatt für ein perfektes Paar halten können. Beide besaßen den gleichen schwarzen Teint und waren von kleiner, schlanker Statur.

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