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1442 - Die grauen Eminenzen

Titel: 1442 - Die grauen Eminenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Wer sich unterhalten wollte, der sah dem bunten Treiben der Fiktivfiguren zu, die sich in holographischer Darstellung auf der kreisrunden Fläche im Zentrum des Raumes tummelten.
    Julian Tifflor und Bolder Dahn hatten zwei Becher Sandang kommen lassen.
    Sandang war ein schäumendes, leicht alkoholisches Getränk mit erdigfruchtigem Geschmack. Bezahlt wurde das Verbrauchte von einem Konto, das die Gastgeber den Terranern, nachdem ihnen von diesen einige Wertgegenstände überlassen worden waren, bereitwillig eingerichtet hatten.
    Beim Umherblicken hatte Julian Tifflor festgestellt, daß ihrem Tisch besonders, wenn auch verstohlene Beachtung geschenkt wurde. Die Blicke, denen er begegnete, brachten Wißbegierde zum Ausdruck, aber auch eine gewisse Ehrfurcht. Es mochte allerdings sein, daß er sich täuschte. Denn in der Physiognomie der Vaasuren kannte er sich bislang nur wenig aus, und das Mienenspiel vieler Fremder war ihm vollends ein Buch mit sieben Siegeln. Natürlich hatte sich die Ankunft von Raumfahrern, die aus einem abseits der Sternenstraßen gelegenen Gebiet zu kommen behaupteten, in Veyscaroora herumgesprochen. Die Neugierde der Einheimischen war verständlich. Aber die Plätze rings um den Tisch, an dem Tifflor und Bolder saßen, waren unbelegt. Man traute sich nicht, den Fremden zu nahe zu kommen. „Faszinierend", sagte Bolder Dahn und leerte seinen Becher mit kräftigem Schluck. „Wir werden angestarrt wie die Ölgötzen. Was haben sie mit uns?"
    „Wahrscheinlich ist ihnen unverständlich, warum du so schnell trinkst", spottete Tifflor. Sie sprachen terranisch. Tifflor beugte sich ein wenig nach vorne und fuhr in unterdrücktem Ton fort: „Es sind nicht nur die Gäste ringsum, die sich für uns interessieren. Mach keine auffällige Bewegung. Wir werden von rechts her beobachtet."
    Dahn brummte etwas Unverständliches und tat so, als müsse er sich zurechtsetzen.
    Dabei streifte sein Blick die rechte Tischkante. „Was ist das?" murmelte er. „Ein Wurm?"
    Für einen Wurm, fand Tifflor, war das eigenartige Geschöpf zu groß. Es besaß einen Schädel von der Größe und der Form eines Hühnereis. Zwei hellrote Knopfaugen musterten die Terraner mit nachhaltigem Interesse. Mund- und Nasenöffnung waren nicht zu erkennen.
    Der Schädel saß auf einem dünnen, elastischen Hals. Kopf und Hals waren mit dunkelgrauer, schuppiger Haut überzogen.
    Der Rest des Körpers war unter der Tischplatte verborgen. Julian Tifflor fühlte sich von dem hellwachen Blick der roten Augen irritiert. Er hätte die Kreatur für ein unintelligentes Tier gehalten. Aber die Art, wie sie ihn ansah, verriet ein gewisses Maß an Klugheit. „Die Miniaturausgabe einer Schlange von Passa", sagte Bolder Dahn.
    Julian Tifflor schob lässig den Arm über den Tisch, als wolle er nach seinem Becher greifen. Dann jedoch ließ er blitzschnell die Hand vorwärts schießen. Das Geschöpf mit den roten Augen war schneller. Es gab einen schrillen Quieklaut von sich und verschwand unterhalb der Tischplatte.
    Tifflor sprang auf. Er sah eine graue Kugel unter dem Tisch hervorkommen und blitzschnell davonrollen. Sie schnellte sich zur nächstniedrigen Terrassenebene hinab.
    Er wollte ihr nachsetzen, aber die Kugel entwickelte eine derartige Geschwindigkeit, daß er keine Aussicht hatte, sie jemals einzuholen. Er kehrte zum Tisch zurück. Die in der Nähe Sitzenden hatten den kurzen Zwischenfall aufmerksam verfolgt. Jetzt aber, als Julian Tifflor sich umsah, senkten sie den Blick und gaben sich den Anschein der Uninteressiertheit.
    Tifflor ließ sich auf der Steinbank nieder und setzte den Becher an. „Eine merkwürdige Sache", sagte Bolder Dahn nachdenklich. „Wir sollten mit Accurr darüber sprechen."
     
    *
     
    Accurr war ein charakteristisches Exemplar seiner Spezies: drei Meter groß, von zerbrechlich wirkender Schlankheit und mit den unverkennbaren Gattungsmerkmalen des Arthropoiden ausgestattet. Der längliche Schädel erinnerte an den einer terranischen Heuschrecke. Ein einzelnes, großes Facettenauge von feurigroter Farbe beherrschte das Gesicht. Aus der Schädelplatte wuchsen zwei mit feinen Sensorhärchen besetzte Fühler. Der breite Mund war in die weit nach vorne ragende untere Kopfpartie eingebettet. Accurr besaß zwei Armpaare, von denen das untere verkümmert schien. Die Arme endeten in zweigliedrigen Scherenhänden.
    Zwei lange, dünne, viergliedrige Beine ragten rechts und links des kräftig entwickelten Steißes aus dem Leib.

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