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1444 - Legende und Wahrheit

Titel: 1444 - Legende und Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der visionastischen Orthogonalkorrektur beweisen. Seht meine Vorführung und entscheidet selbst, ob meine Entdeckung den hohen Anforderungen, die die Wissenschaft an lobenswürdige Neu- und Weiterentwicklungen stellt, zu eurer Zufriedenheit genügt."
    Die Worte schienen Julian Tifflor ein wenig zu bombastisch. Außerdem hatte er keine Ahnung, was er sich unter einer visionastischen Orthogonalkorrektur vorstellen solle. Dafür hatte er inzwischen die anderen Mitglieder der Delegation entdeckt: Nia Selegris, Tyly Chyunz und Vanda Taglia. Sie standen, halb vor einer der zahlreichen Pflanzengruppen verdeckt, nahe dem linken Fuß der Freitreppe. Er schritt auf sie zu. Nia sah ihn kommen und begrüßte ihn mit stummem Lächeln. Das nahm er gerade noch wahr, dann wurde es mit einem Schlag stockfinster.
    Aber nur für einen Augenblick. Unter der hohen Kuppel flammte es auf. Ein Bild entstand - ein abstraktes Bild, wie es Tifflor erschien. Es stellte zwei undefinierbare Gegenstände dar, die auf komplexe Weise miteinander verwachsen waren. Das Auge, das den Konturen des einen Objekts zu folgen versuchte, fand sich plötzlich im Innern des anderen wieder. Tifflor erinnerte sich, in seiner Jugend ähnliche Darstellungen gesehen zu haben: Bilder eines Malers, der dem Betrachter klarmachen wollte, daß die Darstellung dreidimensionaler Zusammenhänge auf zweidimensionalem Untergrund den menschlichen Verstand oft zu Fehlschlüssen verleitete. Asher hatte er geheißen oder Escher, etwa so.
    Ein solches Bild war es, das mitten im Raum unter der Kuppel hing. Es begann sich zu drehen, und während es langsam um eine imaginäre Achse rotierte, zeigte es immer neue und womöglich noch verwirrendere Aspekte. Das dauerte mehrere Minuten lang, und Julian Tifflor fragte sich vergebens, wo denn hier der wissenschaftliche Fortschritt zu erkennen sei. Dann begannen Degruum und Shyrbaat zu sprechen. „Zwei Mitglieder der Hohen Akademie von Passavay und Jauccron sind gefragt, wie die Arbeit eines dritten zu beurteilen sei", riefen sie wie aus einem Mund. Die Worte gehörten zu einem Ritual und wurden mit eigenartiger Skandierung gesprochen. „Wie lautet die Entscheidung?"
    Zwei Sekunden lang war Stille. Dann begann Shyrbaat: „Degruum, du bist der Ältere. Wie äußert sich der Emotionalytiker?"
    „Positiv", lautete Degruums Antwort. „Positiv ohne Einschränkung. Und du, Shyrbaat? Wie entscheidet der Rhinosoph?"
    „Positiv, ohne Einschränkung."
    Bis dahin hatte sich das Hologramm lautlos in der Höhlung der Kuppel gedreht.
    Jetzt erlosch das Bild, und im selben Augenblick flammte die Beleuchtung wieder auf. Musik setzte ein. Für menschliche Ohren hörte sie sich wild und ungezügelt an. Wahrscheinlich sollte sie den Triumph des Forschers widerspiegeln, dessen Arbeit soeben die Zustimmung zweier Mitglieder der Hohen Akademie von Passavay und Jauccron erhalten hatte.
    Degruum und Shyrbaat waren aufgestanden. Irgendwoher war plötzlich ein flacher schwarzer Kasten aufgetaucht, den sie zwischen sich trugen, jeder mit einer Hand. Sie stiegen die Treppe hinauf bis zur Kanzel. Der Kasten wurde auf die Oberkante der Brüstung gelegt und öffnete sich selbsttätig. Degruum und Shyrbaat griffen gleichzeitig hinein und brachten einen glitzernden Gegenstand zum Vorschein, den sie Gavval an den schwarzen Umhang hefteten. Dazu erklärten sie feierlich und wiederum unisono: „Die Auszeichnung der Hohen Akademie wird verliehen für die geniale Leistung, die sich im experimentalen Nachweis der Verwertbarkeit des Prinzips der visionastischen Orthogonalkorrektur ausdrückt. Gavval, es ist unser Wunsch, daß du uns, der Akademie und der Wissenschaft noch lange Zeit erhalten bleiben mögest."
    Die Musik verstieg sich zu einem disharmonischen Geblase von Fanfaren; dann brach sie ab.
    Mein Gott, ging es Julian Tifflor durch den Sinn, es sind wirklich Orden! 3.
    Das gemeinsame Frühstück wurde zur Institution. Allmählich lernten sie auch, die Küchenautomatik so zu bedienen, daß die Eier mit Speck halbwegs wie solche aussahen, der synthetische Kaffee nicht mehr nach Bouillon schmeckte und Tyly Chyunz' Spezialgericht überzeugende Ähnlichkeit mit Praamda-Schnecken in gebräunter, gebundener Üülüüweinsoße gewann. „Irgendwie fehlt es mir an der wissenschaftlichen Begeisterung", erklärte Gulliver Smog, nachdem er seine Schüssel geleert hatte, „mit der ich Gavvals Erfindung gerecht werden könnte. Was war das eigentlich, das man uns gestern da

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