1446 - Der Eis-Schamane
Rettungsaktion bewiesen, aber hier war sie an einen Stärkeren geraten.
Sie hatte den Untergrund kaum berührt, als Elias sie gegen die Hauswand wuchtete. Ihr Hinterkopf schlug gegen die Mauer und brachte sie für einen Moment aus dem Konzept.
Beide Krallenhände drückte er gegen ihre Brust.
Den langen Schnabel hatte der Vogelmann aufgerissen. Er stieß deutlich zu verstehende Worte hervor.
»Ich werde dir deine verdammten Flügel abreißen und dich dann mitnehmen. Ich bringe dich zu mir, wo ich dich in aller Ruhe zerhacken werde. Auch du darfst nicht das Wissen über mich haben, obwohl wir uns auf eine bestimmte Art gleichen. Aber es kann nur einen von uns geben. Zwei sind zu viel.«
Die Schmerzen in Carlottas Kopf hatten sich wieder gelegt. Jedes einzelne Wort hatte sie verstanden, und sie wusste, dass der Schamane nicht bluffte.
Wenn sie jetzt nichts unternahm, war es mit ihr vorbei. Sie blickte nicht auf die Krallen, auch nicht in das Gesicht des Vogelmenschen, sondern schaute an ihm vorbei.
Und dann riss sie das rechte Knie hoch!
Es war ein Rammstoß, der einen Mann an seiner empfindlichsten Stelle erwischte. Ob es bei dem Vogelmann auch so war, das wusste sie nicht. Sie konnte es nur hoffen.
Er schrie nicht. Er wankte zurück und wollte sie nicht loslassen.
Die Fäden des Pullovers zogen sich in die Länge, und Carlotta streckte beide Arme aus. Von beiden Seiten schlug sie mit den Handkanten gegen den Hals des Schamanen.
Auch jetzt zuckte Elias nur zusammen. Er sank nicht bewusstlos zu Boden. Sie schlug erneut zu, nur nicht gegen das Gesicht, weil sie sich sonst an dem harten, scharfen Schnabel verletzt hätte.
Die Krallen lösten sich aus ihrem Pullover.
Carlotta stieg nicht in die Höhe, denn der Vogelmann befand sich zu nahe bei ihr. Sie tat etwas anderes und setzte dabei auf ihre kräftige Gestalt. Mit voller Wucht rammte sie den Schamanen. Der Vogelmann musste nachgeben. Er sackte zusammen, und in Kniehöhe erwischte ihn noch der Tritt gegen das Gesicht.
Plötzlich lag er auf dem Rücken und bildete einen dunklen Fleck im Schnee.
Carlotta schrie auf. Diesmal war sie an der Reihe. Sie wollte ihm die Flügel ausreißen, wie er es mit ihr vorgehabt hatte.
Der Schamane war schneller. Bevor sie sich auf ihn hechten konnte, hatte er seine Beine angehoben. Er trat sofort zu, und Carlotta konnte nicht mehr ausweichen.
Seine Füße bohrten sich in ihren Unterleib. Schlagartig blieb ihr die Luft weg. Sie hatte den Eindruck, in den nächsten Sekunden ersticken zu müssen.
Der Schamane drehte sich zur Seite. So konnte er seine Flügel bewegen, um bereit zu sein, jeden Moment wieder in die Höhe zu steigen.
Carlotta stand noch unbeweglich. In ihrem Innern war alles taub.
Die Luft strömte noch immer nicht in ihre Lungen. Sie hatte den Mund weit aufgerissen und sah aus wie ein Fisch auf dem Trockenen, der nach Luft schnappte.
Auch der Schamane war angeschlagen. Er ging nicht mehr so leicht und locker. Er zog die Füße durch den Schnee, und aus dem Schnabel drangen röchelnde Laute.
Als er auf Carlotta zuging, zuckte sein Kopf vor und zurück. Er schien die Bisse bereits zu üben, die er ansetzen wollte.
Luft, sie brauchte Luft, um sich erheben zu können, sonst war alles zu spät.
Röchelnd saugte sie die Luft in ihre Lungen. Sie verdrehte dabei die Augen. Es war auch ein Würgen zu hören, und dann gelang es ihr wieder, die Flügel zu bewegen. Zwar langsamer als beim gewohnten Start, aber immerhin.
Die Kraft kehrte zurück. Der nächste Flügelschlag war bereits stärker. Doch diesmal brauchte sie noch einen dritten, um sich in die Luft erheben zu können.
Dann war der Luftmangel verschwunden. Mit dem nächsten Flügelschlag trieb sie sich höher und glitt dabei an der Hauswand entlang.
Aber auch der Vogelmensch hatte nicht geschlafen. Er wollte Carlotta nicht entkommen lassen. Er lachte in wilder Vorfreude, stieg dann in einem schrägen Winkel in die Höhe, um Carlotta abzufangen, bevor sie das Dach erreicht hatte.
»Ich hole dich!«, schrie er.
Genau da fielen die Schüsse!
***
Ich hatte an der Hausecke gewartet, zusammen mit Maxine Wells, die hinter mir stand und ihren warmen Atem an meiner rechten Wange vorbeihauchte.
Ich hatte sie zurückhalten müssen, denn es war besser, wenn keiner von uns versuchte, den Vogelmenschen zu packen. Da gab es eine andere Möglichkeit.
Die Handschuhe hatte ich zu Boden geschleudert. Ich brauchte meine bloßen Hände, um schießen zu können.
Genau
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