1447 - Das Traumpaar
meinen Körper zu konzentrieren und ihn zu fühlen. Es war durchaus möglich, dass mein Kreuz seine Warnsignale die ganze Zeit über ausgeschickt hatte, nur hatte ich sie durch die veränderten Umstände nicht wahrnehmen können. Nun war ich gespannt, was passieren würde. Wenn Chira sich dem Kreuz zu sehr näherte, war es mit ihr vorbei. Sie würde in Flammen aufgehen oder verfaulen, wie auch immer.
Sie machte auf mich den Eindruck, als wollte sie sich auf mich stürzen, um mir die Zähne in den Hals zu schlagen. Doch dazu war sie zu vorsichtig, und auch ihr Kopf schütteln passte dazu. Es bewies mir, dass sie sich gestört fühlte.
Ich hielt mich mit einer Bemerkung zurück, denn ich wollte sie nicht weiter provozieren. Ihr Mund zuckte, sie stand halb gebückt vor mir. Ihre heimtückischen Elektrowaffen waren wieder in ihren Taschen verschwunden.
»Was ist mit dir?«, fragte ich.
Chira richtete sich langsam wieder auf. Sie brachte Distanz zwischen uns.
Mein Blick fiel auf die Beretta. Ich hoffte, dass sie jetzt nicht auf einen anderen Gedanken kam, das wäre für mich tödlich gewesen.
Aber sie wartete noch. Ihre Gedanken beschäftigten sich mit einem anderen Problem.
»Du hast etwas, das ich hassen muss.«
»Was denn?«
»Ich spüre es. Du trägst es an deinem Körper.« Ihr Mund verzog sich. »Ist es ein verdammtes Kreuz?«
Im letzten Augenblick stoppte ich mein Lachen, um Chira nicht zu provozieren. Mit leiser Stimme sagte ich: »Warum siehst du nicht nach? Ich kann dich nicht daran hindern.«
Sie überlegte. Aber sie benahm sich dabei sehr unsicher. Sie sah plötzlich nicht mehr wie eine überlegene Siegerin aus. Sie drehte den Kopf und blickte sich hastig um. Ich konnte mir vorstellen, dass sie plötzlich über eine Falle nachdachte.
Die Bühne in dieser Winternacht blieb starr. Es trat niemand weiterer auf. Dennoch blieb die Unsicherheit der Blutsaugerin. Ich fragte mich mal wieder, wo zum Teufel Justine Cavallo steckte.
Sie kam nicht. Dabei hatte sie dieses Spiel hier gestartet. Allmählich kam ich mir vor wie ein Lockvogel oder wie ein Köder, den sie dieser Chira hingeworfen hatte.
Der Angekettete hatte sich bisher zurückgehalten, aber ich hatte nicht vergessen, was er zu mir gesagt hatte.
Da war von zwei Personen die Rede gewesen, die ihn überfallen hatte. Einer sollte ein Riese gewesen sein. Wen konnte er damit gemeint haben? Da blieben nur Chira und den Werwolf, dieses Traumpaar!
Dass es nicht ganz so war, davon ging ich schon aus, und meine Vermutungen wurden bestätigt, als ich die Stimme des Gefesselten hörte.
»Verdammt noch mal, was soll das alles? Wovon redet ihr überhaupt? Ich will hier weg. Das geht mich alles einen Scheißdreck an, was hier abläuft. Damit habe ich nichts zu tun! Wann geht das endlich in eure verdammten Schädel rein?«
Ich hatte ihn gehört und Chira auch. Ich war gespannt, wie sie reagieren würde. Das Geschimpfe lenkte sie tatsächlich ab. Ich war plötzlich nicht mehr interessant für sie. Sie huschte auf den Mann am Pfahl zu und hielt dabei den Mund weit offen.
Er sah die Zähne, fing an zu jammern, aber die Blutsaugerin biss nicht zu.
Ein heftiger Schlag gegen das Gesicht brachte ihn zum Verstummen. Damit war die Sache noch nicht erledigt, denn Chira fühlte sich nicht mehr als Herrin der Lage. Aber sie war nicht allein und gab dem lauernden Wolf einen Wink mit der Hand.
Bisher war das Untier unbeteiligt gewesen. Das änderte sich jetzt.
Da ich den Kopf leicht nach rechts gedreht hatte, sah ich, wie er sich zu bewegen begann. Er schüttelte sich kurz und richtete sich danach noch weiter auf.
Der Anblick war nichts für kleine Kinder und auch sicherlich nichts für Erwachsene, die Bescheid wussten. Ich hatte nicht zum ersten Mal mit Werwölfen zu tun, und es würde auch nicht das letzte Mal sein, sollte ich dies überleben, aber dieses Untier war ein besonders prächtiges Exemplar.
Ein mächtiger Körper. Ein gewaltiger Kopf. Beides war von einem dichten schwarzen Fell bedeckt. Die Schnauze stand weit vor. Auch sie wirkte dank ihrer Breite sehr kräftig. Trotz ihres Gewichts bewegte sich die Gestalt sehr geschmeidig. Sie stapfte mit ihren breiten Füßen auch nicht über den Boden, sondern glitt leicht kratzend darüber hinweg. Nach dem zweiten Schritt schon riss der Werwolf sein Maul auf. Die Kiefer klappten auseinander und ließen einen Blick in seinen tiefen Rachen zu.
Nicht nur ihn sah ich. Auch die blutrote Zunge, die in dem Maul lag –
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