1447 - Das Traumpaar
noch nicht. Eine innere Stimme hielt ihn davon ab.
Er befand sich so gut wie allein unterwegs. Diese Gegend von London schien ausgestorben zu sein. Es liefen ihm auch keine Obdachlosen über den Weg. Die Nacht war zu kalt. Da suchte sich jeder, der kein Dach über den Kopf hatte, einen einigermaßen sicheren Platz zum Schlafen, und sei es in irgendeinem Loch.
Schritte hörte er ebenfalls nicht in seiner Nähe. Kein Schatten bewegte sich hinter oder über ihm.
Er wusste, dass Saladin ihn hasste, denn Suko hatte ihn schon einige Male überlisten können. Dass der Hypnotiseur sich nicht an die Verfolgung gemacht hatte, lag wahrscheinlich an der Tatsache, dass er es nicht konnte. Suko ging davon aus, hart genug zugeschlagen zu haben, er kannte die Wirkung seiner Treffer genau.
Der Schrei einer Möwe war in der Stille zu hören.
Suko hielt an.
War es wirklich eine Möwe gewesen? Plötzlich glaubte er nicht mehr daran, denn auch die Vögel mussten sich irgendwann zur Ruhe begeben. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass er die Möwe aus dem Schlaf gerissen hatte.
Der Laut wiederholte sich. Jetzt war Suko sicher, dass er nicht die Stimme eines Vogels gehört hatte, sondern die eines Menschen. Es war auch kein Mann gewesen, hier hatte eine Frau geschrien oder auch laut gesprochen.
Er wusste, aus welcher Richtung ihn der Schrei erreicht hatte. Einfach weiter nach vorn laufen. Der Zufall hatte ihm bereits die Richtung gewiesen.
Aber welche Frau gab es da?
Die Cavallo?
Er sah es zunächst als die einzige Möglichkeit an. Und wo sie war, da konnte auch John Sinclair nicht weit sein.
Dieser Gedanke trieb den Inspektor an. Von nun an dachte er nicht mehr an sich, sondern an die anderen, und er hoffte stark, endlich Klarheit in diesen verzwickten Fall zu bekommen…
***
Der Werwolf hatte den Befehl verstanden. Er reagierte wie ein treuer Kettenhund. Er schüttelte sich noch, als wollte er Wassertropfen aus seinem Fell entfernen, dann ging er noch näher an sein Ziel heran.
Die Angst des Gefesselten steigerte sich. Sein Gesicht war für mich deutlich zu sehen. Der Ausdruck darin ließ sich kaum beschreiben.
Er war einfach grauenhaft und das Antlitz schien keinem Menschen mehr zu gehören, sondern irgendeiner Skulptur, die ein Bildhauer aufgrund schlimmer Erfahrungen geschaffen hatte.
Ich versuchte es ein letztes Mal.
»Pfeif ihn zurück, Chira!«
»Nein!«
»Was hat der Mann dir getan?«
»Es ist egal, ob er stirbt. Er ist Abfall!«
Es war nicht zu begreifen, wie diese Person von einem Menschen sprach. Aber ich wusste, dass sie eine Blutsaugerin war und es für sie keine Gefühle gab.
Auch Justine Cavallo ernährte sich von Blut. Wo blieb sie? Ich sah sie immer noch nicht. Genau das machte mich so wütend. Wir waren zusammen losgefahren, und es war auf ihre Initiative hin geschehen. Jetzt hatte sie sich zurückgezogen und ließ mich in diesem Schlamassel allein.
Der Werwolf hatte sich inzwischen so weit seinem Opfer genähert, dass er nur eine Pranke anzuheben brauchte, um zuschlagen zu können. Er würde den Gefesselten voll treffen. Wahrscheinlich sogar tödlich.
Das war der Augenblick, als ich etwas tat, das sich vom Verstand her eigentlich nicht nachvollziehen ließ. Ich kümmerte mich nicht mehr um die auf mich gerichtete Waffenmündung, erhob mich und ging einen unsicheren Schritt nach vorn. Nicht auf die Vampirin mit den starren Augen zu. Mein Ziel war ein anderes. Ich wollte nicht, dass der angekettete Mann umgebracht wurde. Der Werwolf war mein Ziel, und ich glaubte irgendwie nicht daran, dass mir Chira eine Kugel in den Rücken jagen würde. Gut, es war ein Tanz auf der Rasierklinge, aber ich vermutete stark, dass die Person mit den toten Augen mich brauchte. Als Toter brachte ich ihr nicht viel, denn Vampire brauchen lebende Menschen, bei denen der Blutfluss noch in Ordnung ist. Allerdings bestand auch die Gefahr, dass sie schoss, um mich zu verletzen. Dieses Risiko ging ich ein.
»Bleib stehen!«
»Nein!«
»Verdammt…«
Ich ließ sie nicht weiter sprechen. »Halt den verdammten Werwolf auf, dann bleibe ich stehen.«
Schweigen. Sie überlegte. Ich hörte, wie der Gefesselte jammerte und blieb nicht untätig. Meine Beretta war ich los. Ich musste meine Hoffnungen jetzt auf das Kreuz setzen.
Noch war es unter meiner Kleidung verborgen. Ich suchte nach einer Möglichkeit, es hervorzuholen, ohne dass es auffiel. Bisher hatte ich mir keine Kugel in den Rücken eingefangen. Ich setzte darauf,
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