1447 - Das Traumpaar
Höhe schaute.
Das war ihr Glück.
Das scharfe Augenpaar der Vampirin entdeckte etwas, was einem Menschen möglicherweise verborgen geblieben wäre. Hoch über ihr bewegte sich etwas Schwarzes. Man hätte es als eine dunkle Wolke bezeichnen können, was allerdings nicht zutraf, denn keine Wolke sah so eckig aus wie das, was sich über Justine bewegte.
So sah eine Fledermaus aus! Und zwar keine normale, sondern eine übergroße, die entstanden war, weil sich ein Mensch in dieses Wesen verwandelt hatte. Da gab es nur einen, der so etwas tat und dabei diese Größe erreichte.
Mallmann flog die Umgebung ab. Wie ein Aufpasser. Als hätte er etwas geahnt.
Das war alles andere als positiv für die Cavallo. Sie wusste über Mallmann verdammt gut Bescheid und kannte auch die Schärfe seiner Augen.
Bleiben oder ins Innere huschen?
Noch einmal schaute sie in die Höhe. Die Fledermaus war da. Nahezu träge sah sie bei ihren matten Flügelbewegungen aus. Sie schien kein bestimmtes Ziel anzufliegen, denn sie kreiste über ihr, um die Umgebung dieser Halle zu kontrollieren.
Genau das gab Justine den Kick, um weiterzumachen. Sie zögerte keine Sekunde länger. Sie hob den aus der Verankerung geschraubten gläsernen Deckel ab und legte ihn so hin, dass ein für sie passender Einstieg entstand.
Sie schlängelte sich hinein. Unter ihren Füßen spürte sie keinen Halt, aber damit hatte sie gerechnet. Deshalb schwang sie ihren Körper nach links, und die ausgestreckten Beine fanden mit den Füßen Halt auf einem Gestänge, das sich dicht unter der Decke hinzog.
Die Kuppel schob sie nicht mehr in die korrekte Lage zurück. Dafür griff sie mit den Händen nach einer Querstrebe.
Jetzt ging es ihr besser.
Sie konnte sogar den Kopf drehen und nach unten schauen. Dort wartete auf sie ein Meer von Düsternis. Für ein menschliches Auge alles andere als gut, aber sie war kein Mensch, sondern nur noch eine Hülle, die so aussah.
Früher, als in der Halle noch gearbeitet wurde, hatte die Decke eine bestimmte Funktion gehabt. Unter ihr lief ein Gestänge entlang, das als Transportband benutzt wurde. Das Gestänge lief wie der Körper eine Schlange unter der Decke entlang. Die Loren, die daran hingen und in einer anderen Halle verschwanden, gab es nicht mehr. Sie waren längst verkauft oder verschrottet worden.
Justine hangelte sich nach links. Ihre Bewegungen wurden durch nichts gestört. Sie waren kraftvoll, und diese Kraft erlahmte nie.
Wieder ein großer Unterschied zu den Menschen.
Ihr Unterkörper schwang hin und her, und sie dachte daran, dass sie den Einstieg auch hätte leichter haben können. Aber sie wusste nicht, ob die Halle bewacht wurde. Und dieses Risiko wollte sie auf keinen Fall eingehen.
Alles war perfekt. Niemand störte sie, und so erreichte sie die Wand und genau die Stelle, die sie sich ausgesucht hatte, denn dort trat sie mit dem Fuß gegen eine Leiter.
Der Rest war ein Kinderspiel. Sie kletterte geschmeidig die Sprossen hinab, und es war bei ihrer Aktion kaum etwas zu hören.
Licht gab es hier nicht. Justine verschmolz mit der Dunkelheit, denn selbst an den Seiten der Halle gab es keine Fenster. Das Tageslicht fiel nur von oben durch die Luken, und wenn Helligkeit gebraucht wurde, schaffte man sie durch Strahler.
Justine Cavallo erreichte den Boden und blieb zunächst neben der Leiter stehen. Sie war am Ziel, das wusste sie, und sie lächelte, wenn sie daran dachte, wie glatt bisher alles abgelaufen war.
Menschen hätten nach dieser Aktion tief durchgeatmet. Das brauchte eine Wiedergängerin wie sie nicht. Eine Anstrengung gab es bei ihr nicht. Justine fühlte sich ebenso wie vor dem Einstieg.
Sie wartete noch. Ob sie allein in der Halle war, hatte sie noch nicht feststellen können.
Justine blieb nicht an einer Stelle stehen. Sie musste herausfinden, ob alles so eingetroffen war, wie sie es sich gedacht hatte.
In der Halle gab es keine Maschinen mehr. Keine großen Drehbänke, keine Arbeitstische, keine Schränke für Werkzeug. Alles war verschwunden. Verkauft, verschrottet und so weiter.
In der Halle herrschte eine Stille, die Justine gut gefiel. Mittlerweile war auch die Kälte durch die dicken Mauern gekrochen, die der Blutsaugerin allerdings nichts anhaben konnte.
Sie ging über den schmutzigen Boden und hörte unter ihren Füßen das leise Knirschen und Schaben, wenn sie irgendwelchen Dreck zertrat.
Kein Schauer, keine Gänsehaut überzog ihren Körper. Justine wusste genau, was sie tun
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