1447 - Das Traumpaar
musste. Sie wollte einen bestimmten Platz in der doch sehr geräumigen Halle erreichen, denn dort befand sich ihr eigentliches Ziel. Da hatten Mallmann und Saladin ihr Erbe hinterlassen, und sie ließen es auch bewachen.
Im Normalfall war es Chira, die hier das Sagen hatte, aber sie war abgelenkt worden. Wenn John Sinclair und Suko sich um sie kümmerten, brauchte sich Justine keine Sorgen zu machen.
Im Dunkeln sah sie recht gut. Und sie spürte auch, dass sie sich den Opfern näherte.
Es war der Geruch, der sie so nervös machte. In ihr stieg die Gier hoch, denn sie nahm das warme und frische Blut der Menschen wahr, das mit jedem Schritt näher rückte.
Sie sah besser – und hatte wenig später genau die Stelle erreicht, die sie anvisiert hatte.
Vor ihr auf dem Boden befand sich das Ziel!
Es setzte sich aus mehreren Personen zusammen, die alle auf einer großen Matte lagen. Sechs insgesamt. Drei Frauen und drei Männer.
Man hatte sie auf den Rücken gelegt. Die Gesichter waren gegen die Decke gerichtet. Die Augen standen weit offen, und die Hände lagen auf dem Körper gekreuzt.
Die Vampirin nahm das Bild genau auf. Jede Einzelheit war für sie wichtig. Es waren Menschen, die zur untersten Gesellschaftsschicht gehörten. Möglicherweise hatte man sie auf der Straße aufgelesen und hierher geschafft. In bestimmten Gegenden des Londoner Hafens fiel es eben nicht auf, wenn ab und zu mal Menschen verschwanden.
Man hatte auch nicht auf ein bestimmtes Alter geachtet. Es gab jüngere Menschen, aber auch ältere, die dort lagen und gegen die Decke starrten.
Ein normaler Mensch hätte sie beim ersten Hinsehen als tot angesehen. Das war auch nicht zu falsch, denn jemand hatte dafür gesorgt, dass ihr eigener Wille ausgeschaltet war. Sie standen unter der Knute einer anderen Macht, und dafür zeigte sich jemand verantwortlich, dessen Namen Justine aussprach.
»Saladin.«
Mehr sagte sie nicht, aber in diesem einen Wort, das sie ausgesprochen hatte, war all der Hass zu hören gewesen, den sie diesem Mann entgegenbrachte.
Saladin war nicht da, aber hatte hier so etwas wie ein Lager errichtet für seinen Nachschub.
Die sechs Menschen waren von ihm in einen hypnotischen Tiefschlaf versetzt worden. Auch wenn Justine sehr laut aufgetreten wäre, hätte sich ihr Zustand nicht verändert. Nur Saladin konnte sie erwecken, und er würde sich hüten, dies zu tun.
Auch Justine musste sich zusammenreißen. Die leblosen und auch wehrlosen Menschen mit all ihrem Blut hier liegen zu sehen, das war für sie schon etwas Besonderes. Sie hätte sich nur zu bedienen brauchen, aber da riss sie sich stark zusammen. Sie würde auch auf eine andere Art und Weise an das Blut herankommen. Für sie war jetzt wichtig, Will Mallmanns Pläne zu stören.
Für Justine stand fest, dass hier der Nachschub für seine Vampirwelt lag. Mit Saladins Hilfe war ihm eine ganz neue Idee gekommen. Menschen wehrlos machen, um sie dann in ihrem Zustand blutleer zu saugen. Perfekter konnte es nicht sein.
Und sie dachte dabei auch an ihre Rolle. Sie gönnte Mallmann das Blut nicht. Mit diesen Menschen musste etwas geschehen. Gut, einen von ihnen würde sie leer saugen, das war kein Problem, aber die anderen fünf wollte sie wegschaffen.
Allein war das ein wenig problematisch. Deshalb hatte sie John Sinclair mitgelockt. Es war jetzt wichtig zu erfahren, wie es ihm ging und was er erlebt hatte.
Auch Justine trug ein Handy bei sich. Sie wollte es schon hervorholen, als sie ein leises Geräusch hörte.
Von den Menschen vor ihr hatte sich niemand bewegt. Zudem war das Geräusch aus einer anderen Richtung gekommen. Justine war gezwungen, sich umzudrehen, aber sie war auch bereit, sofort den Kampf aufzunehmen.
»Sie sind nicht für dich, Justine, auch wenn du noch so hungrig bist…« Die Cavallo erschrak nicht. Ihr war überhaupt keine Reaktion anzusehen. Mit neutral klingender Stimme sagte sie: »Ach, dich hätte ich wirklich nicht hier erwartet, Chira.«
»Wie man sich doch täuschen kann.« Die Gestalt im langen Mantel verließ die schützende Dunkelheit und ging noch drei Schritte, bevor sie stehen blieb. Locker, lässig, wie ein Siegerin, die Hände in den Taschen des langen Mantels vergraben.
»Willkommen in der Hölle, Justine…«
***
Die blonde Bestie blieb gelassen. Sie wusste, was sie konnte und auch, dass sie sich vor einer Person wie Chira nicht zu fürchten brauchte. Beide kannten sich nicht, aber beide hatten voneinander gehört. Vor allen
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