1449 - Der Knochentempel
Boden.
»Hast du was?«
Er nickte.
»Willst du es mir auch sagen?«
Stevie wand sich etwas. »Es ist doof, das weiß ich, aber ich habe wirklich erst jetzt wieder daran gedacht.«
»An wen?«
»An den Maskierten.«
»Den du nicht erkannt hast?«
Stevie nickte. »Habe ich auch nicht richtig. Aber ich habe etwas anderes gesehen, und das ist mir wirklich erst jetzt wieder eingefallen. Das waren seine Schuhe.«
»Ach!« Suko hütetet sich davor, mehr zu sagen. Er wollte den Jungen nicht von seinen Überlegungen abbringen.
Stevie dachte nicht mehr lange nach. Mit leiser Stimme beschrieb er, was ihm aufgefallen war. »Die Schuhe waren hell und mit schwarzen Streifen. Aber keine drei, sondern mehr. Sie sahen aus wie dünne Striche, und sie gingen sehr hoch.«
»Du meinst über die Knöchel?«
»Ja. Immer wenn er ging, knarzten die Sohlen.«
Suko lächelte. »Das ist immerhin eine gute Aussage, Stevie. Ich bedanke mich dafür.«
»Nichts für ungut. Meiner Mutter habe ich davon nichts erzählt. Echt nicht.«
»Wenn es dir jetzt erst eingefallen ist, kein Wunder. Ich denke, dass ich damit etwas anfangen kann.«
»Ähm – mit Schuhen?«
»Wenn Sie so auffällig sind, schon.«
Er brachte Stevie, der leicht enttäuscht war, dass er jetzt wieder an seine Hausaufgaben musste, wie versprochen nach Hause zurück.
Die Untersuchung des Fundorts hatte nichts gebracht. Jetzt war Suko gespannt, ob er von der Tochter des toten Küsters etwas erfahren konnte.
Um Ellen Kinley zu erreichen, konnte er weiterhin zu Fuß gehen…
***
Ich sagte zunächst nichts. Es hatte mir zwar nicht die Sprache verschlagen, aber Überraschungen gibt es immer wieder im Leben. Da der Küster in den Fall verwickelt war, sah ich die Überraschung nicht mal als so groß an, dass seine Tochter hier mitmischte.
»Sind Sie sicher?«, fragte ich den Bischof.
»Ja, das bin ich. Zwar habe ich Ellen nur einmal gesehen, aber ihr Aussehen hat sich bei mir eingeprägt. Doch dass ich sie hier in diesem Film sehe, damit habe ich nicht gerechnet.«
»Das glaube ich Ihnen.«
»Okay, Mr Sinclair, sehen wir mal weiter, was da abläuft und was Ellen vorhat.«
Zunächst passierte nichts, was uns hätte aufregen können. Ellen ging ihren Weg, und dabei schritt sie nach vorn und nicht die wenigen Stufen der Treppe hinab. Sie kümmerte sich auch nicht um die blassen Totenschädel und ging in die Leere des Hintergrunds hinein, als wollte sie unbedingt die andere Wand erreichen.
Wir schauten jetzt wieder auf ihren Rücken. Der wadenlange Rock schwang bei jedem Schritt. Ihre Haltung blieb steif, als sie in das seltsame Licht hinein schritt, das einen viel bleicheren Schein aufwies als das der Kerzen.
Plötzlich blieb sie stehen.
»Was ist denn jetzt los?«, flüsterte Ampitius.
»Keine Ahnung. Sie steht einfach nur da und schaut nach vorn. Das ist schon ungewöhnlich.«
»Ich traue ihr nicht mehr«, flüsterte der ehemalige Bischof. »Zwar habe ich ihrem Vater eigentlich nie misstraut, aber wenn ich recht darüber nachdenke, war er schon ein komischer Typ. Ziemlich verschlossen, aber auf der anderen Seite hat er stets Fragen gestellt.«
Da auf dem Bildschirm nichts weiter passierte, fragte ich: »Was wollte er denn wissen?«
»Alles und nichts. Er erkundigte sich nach der Historie des Glaubens. Er war auch der Meinung, dass die Kirche nicht alles richtig gemacht hat im Lauf ihrer Geschichte, was auch stimmt, aber sie hat schließlich überlebt und scheint heute stärker als zuvor zu sein. Dann wollte er wissen, warum die Kirche keine andere Meinung gelten ließ. Wir kamen oft auf Menschen zu sprechen, die verfolgt worden sind. Wissenschaftler und Aufklärer, und er interessierte sich auch für Geheimbünde.«
»Templer?«
»Ja, das auch. Aber mehr am Rande. Ihn interessierten mehr Dämonen und auch der Teufel. Er wollte etwas über die Hölle wissen, was ich ihm natürlich nicht beantworten konnte. Mir schien es, als hätte er eine riesengroße Angst davor.«
»Kann ich verstehen.«
»Ich konnte ihn auch nicht beruhigen. Er wollte viel über die Hölle wissen, um sich vorbereiten zu können.«
»Das ist ungewöhnlich«, sagte ich. »Denn gerade ein Mann, der der Kirche sehr verbunden ist, muss doch ein gewisses Vertrauen in sie haben, denke ich.«
»Das meine ich auch, Mr Sinclair. Aber ich habe mehr den Eindruck, dass er der Kirche gar nicht so verbunden war. Am Anfang schon, dann wurde er wohl immer mehr zum Zweifler. Oder er hat sich anderen
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