1450 - Insel der Vampire
einen Mann, das sah Suko mit einem Blick.
Die Wucht des Aufpralls war zwar durch die Sträucher etwas gemildert worden, trotzdem war der Körper hart aufgeschlagen. Ein normaler Mensch wäre bestimmt mit gebrochenen Knochen liegen geblieben. Aber diese Gestalt war kein Mensch.
Sie erhob sich wieder, ohne dass es zuvor eine längere Pause gegeben hätte. Suko sah auch die kraftvollen Bewegungen, mit der die Gestalt auf die Beine kam.
Der Blutsauger roch den Menschen, und Suko sah den anderen in einer perfekten Entfernung vor sich. Er hätte schießen können, aber er wollte den oder die anderen Blutsauger nicht durch den Knall eines Schusses warnen. Ihm blieb noch genügend Zeit, die Dämonenpeitsche zu ziehen und einmal den Kreis zu schlagen, damit die drei Riemen hervorrutschten.
Suko hatte die bleiche Gestalt noch nie zuvor in seinem Leben zu Gesicht bekommen. Er wusste trotzdem, wen er vor sich hatte. Das musste dieser Karim Onofru sein, von dem der Agent Jeff Holm berichtet hatte. Zum Greifen nahe stand Suko nicht, der Blutsauger musste sich erst den Weg zu ihm bahnen.
Er drückte sich um ein Gebüsch herum und setzte zu einem Tritt an.
Das Bein sichelte auf Suko zu.
Der wich zur Seite aus, sodass ihn der Tritt verfehlte, doch Karim glaubte nun, freie Bahn zu haben, denn er wuchtete sich auf Suko zu.
Es war genau das, worauf der Inspektor gelauert hatte.
Er schlug zu.
Die Riemen schienen sich langsam zu bewegen, als sie fächerförmig auf die Gestalt zu glitten. Es war kein Schrei oder ein anderer Laut des Erschreckens zu hören, dafür ein Klatschen, als die drei aus Dämonenhaut bestehenden Riemen trafen.
Der Schlag stoppte den Vampir!
Suko hörte einen röchelnden Laut. Er sah den Blutsauger als zitterndes, bleiches Wesen vor sich. Das Maul hielt er offen. Die Spitzen der Zähne blinkten, doch er kam nicht mehr zum Biss.
Ohne eine Vorwarnung sackte er zusammen. Genau dort, wo ihn die Riemen erwischt hatten, gab sein Körper nach. Er jammerte leise, landete am Boden, rutschte ein Stück weiter und wurde von einem Baumstumpf aufgehalten.
Suko trat zu ihm.
Er schaute auf ihn hinab.
Nichts regte sich bei dieser Gestalt. Sie würde auch nicht zu Staub zerfallen, weil sie erst vor kurzem zum Vampir geworden war, aber Suko konnte davon ausgehen, dass er sie durch seinen Treffer erlöst hatte.
Der Kopf mit dem bleichen Gesicht war ihm zugedreht. Als er auf ihn nieder schaute, stellte er fest, dass es in den Zügen kein Leben mehr gab. Sie waren völlig erstarrt.
Der Inspektor war zufrieden. Er schaute in die Höhe, wo sich sein Freund John Sinclair befand, und hörte das gellende Lachen einer Frau…
***
Ich hatte die Frau gesehen. Sie mich nicht, weil sie weiterhin nach vorn blickte. Aber sie nahm mich mit ihrem untrügliche Instinkt wahr. Vampire wissen genau, wenn sich Menschen in ihrer Nähe aufhalten. Deshalb drehte sie sich auch mit einer scharfen Bewegung herum, sodass sie mich und zugleich das Kreuz anschauen musste.
Ich war auf ihre Reaktion gespannt. Sie hielt die Augen ebenso offen wie den Mund, damit ich ihre verdammten Blutzähne sehen konnte. Ob das Gesicht mal hübsch oder interessant gewesen war, das war jetzt nicht zu erkennen. Sie hatte es zu einer Fratze verzogen. Wut und Gier zugleich zeichneten sich darin ab.
Ich musste meine Überraschung erst verdauen. Nicht nur, was ihr Outfit anging, viel unheimlicher wurde mir, dass sie vor dem Kreuz keine Angst zeigte. Mein Talisman selbst reagierte zwar, aber nur sehr schwach.
Ich erlebte in diesen Sekunden so etwas wie eine Vision. Sie konnte zutreffen, aber auch weit hergeholt sein. Ich tendierte zur ersten Lösung und dachte auch daran, wo wir uns befanden. In einem verdammt geschichtsträchtigen Gebiet.
Hier hatte es schon vor unserer Zeitrechnung eine hohe Kultur gegeben. Die Griechen, die Römer und auch andere Völker hatten hier ihre Zeichen gesetzt, und an das Kreuz war noch gar nicht zu denken gewesen. Sie kannte es nicht. Diese Unperson musste sehr alt sein, aber sie hatte sich prächtig gehalten. Wahrscheinlich war sie die Zeit über wie eine Mumie konserviert gewesen und irgendwann aus ihrem Grab geklettert.
Ich sah sie lächeln und die Lippen noch weiter in die Breite ziehen.
Dabei sagte sie etwas in einem Tonfall, der sich wie das Zischen einer Schlange anhörte.
Ich hätte meine Beretta ziehen und ihr eine Kugel in den Kopf jagen können. Genau davon nahm ich Abstand. Möglicherweise hinderte mich die Neugierde
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