1457 - Ediths Leichenwelt
Kälte tat ihr gut, die Nässe auch, und sie freute sich darüber, dass sie wieder schlucken konnte.
Kaltes Wasser.
Es schien der Quell des Lebens zu sein, der in ihre Kehle rann. Ein wunderbar kühles Wasser, erfrischend und prickelnd, einfach herrlich. Wasser, das zwar die Schmerzen nicht nahm, aber ihre Lebensgeister wieder weckte.
Deshalb trank sie.
Und deshalb wollte sie auch nicht aufhören, bis Edith ihr die Dose einfach vom Mund wegzog.
»Es reicht!«
Kats Haut hatte wieder so etwas wie Gefühl bekommen. Sie hoffte, dass man ihr auch die Zeit ließ, wieder ganz zu Kräften zu kommen, denn an Aufgabe dachte Kat keinesfalls.
»Und? Kannst du jetzt reden? Kannst du mich verstehen? Ist alles in Ordnung mit dir?«
Kat schaute ins Leere. Sie atmete schwer. Schweiß stand ihr auf der Stirn, und sie wusste, dass ihre Augen in diesem Moment leicht verdreht waren. Aber sie lebte, das allein zählte.
Edith Jacum richtete sich wieder auf. Wie eine Herrscherin stand sie an Kats Seite, und das Messer, das Kat gehörte und sich jetzt in ihrem Besitz befand, hielt sie in der rechten Hand. Es war kein Tropfen Blut auf der Klinge zu sehen.
Das Grinsen auf den Lippen der Frau wurde immer breiter.
»Scheiße, nicht?«
Kat sagte nichts. Sie musste zunächst mit den Turbulenzen in ihrem Kopf zurechtkommen.
»Was soll das?«, flüsterte sie.
»Du bist angekommen.«
»Wo?«
»Nicht nur hier in meinem Bunker, sondern auch am Ende deines Lebens. Jetzt bist du bei mir und wirst es bleiben. Du glaubst gar nicht, wie ich mich auf dich gefreut habe. Ich hatte dich schon immer im Auge. Du bist so jung, so straff und so fest. Du wirst mir gut tun, das kann ich dir versprechen. Sehr gut sogar.«
Die junge Frau mit den grünen Haaren hatte alles gehört, aber es nicht begriffen. Sie stand noch vor einem Rätsel, schielte in die Höhe und wollte sich auf das Gesicht dieser Edith konzentrieren, um herauszufinden, ob die Frau die Wahrheit sagte oder nicht.
Kat wurde abgelenkt. Diesmal waren es keine Worte. Es lag am Aussehen der Frau, denn das veränderte ich. Zuerst dachte Kat, sich getäuscht zu haben, dann jedoch schaute sie genauer hin und erkannte, dass sie keinem Irrtum erlegen war.
Im Gesicht der Unperson tat sich tatsächlich etwas. Es gab da eine Bewegung, und sie erkannte, dass etwas aus den Poren der Haut hervortrat.
Sie dachte an Schweiß, aber der war es nicht, denn was da hervorquoll, brachte einen Geruch mit sich, der ein Ekelgefühl in Kat hochschießen ließ.
Das war der Gestank nach Verwesung…
Sie erinnerte sich daran, einen ähnlichen Geruch an den Containern wahrgenommen zu haben. Er widerte sie an. Sie wäre am liebsten geflüchtet, nur war das nicht möglich, denn sie hatte das Gefühl, auf dem kalten Steinboden festzukleben.
Edith blieb noch immer dieselbe Person. Nur das Gesicht zeigte sich verändert. Etwas rann aus den Poren. Es stank widerlich. Die Luft füllte sich mit diesem Geruch. Der Atem wurde ihr zwar nicht knapp, aber Kat traute sich nicht mehr, tief durchzuatmen.
»He, was ist mit dir?«
Kat verzog die Lippen. Ihre Worte sprach sie praktisch aus dem Mundwinkel. »Was hast du vorhin zu mir gesagt? Was willst du von mir? Was hast du mit mir vor?«
Edith Jacums Augen nahmen einen bösen Glanz an. Zugleich schob sie die rechte Hand mit dem Messer vor und schaute auf die Klinge.
»Du bist so jung. Du bist so fest. Gerade das Richtige für einen Ghoul. Du wirst mir vorzüglich schmecken!«
Trotz des dumpfen und von Stichen begleiteten Gefühls im Kopf hatte die junge Frau verstanden, was Edith meine. Kat musste nach Luft schnappen, weil es einfach zu absurd und zugleich zu widerwärtig war, und so fragte sie: »Du willst mich – du willst mich…«
Edith half nach. »Ja, das will ich, Kat. Ich bin ein Ghoul, ich brauche dich als Tote, und du bist genau das Richtige für meinen Appetit…«
***
Auf der Stelle veränderte sich Kats Zustand. Zwar blieb die Schwäche, doch jetzt kam noch etwas anderes hinzu. Sie merkte, dass eine gewaltige Welle der Übelkeit in ihr hochstieg. Sie wollte sich übergeben, was sie nicht konnte, nur Magensäure erzeugte in ihrem Mund einen bitteren Geschmack.
Ein unsichtbarer Kloß blieb in der Kehle stecken. Er hätte beinahe ihre nächste Frage verhindert, die sie dann nur mit großer Mühe hervorbrachte.
»Das ist doch nicht wahr – oder?«
»Es stimmt alles!«
»Was bist du? Wie hast du dich genannt?«
Edith Jacum strahlte plötzlich und sagte,
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