1458 - Die Spur der Haluter
letzten Besuch. Die verschiedenen Gerätschaften waren noch da. Einige arbeiteten und speicherten automatisch die Untersuchungsergebnisse ab. Es gab keinerlei Zerstörungen, aber auch keine Hinweise auf eine Entführung. Der Zustand der Höhlen ließ jedoch einwandfrei erkennen, daß Domo Sokrat schon seit geraumer Zeit nicht mehr hiergewesen war. Mit Hilfe seiner infrarotempfindlichen Augen konnte Icho Tolot mühelos feststellen, daß es außer seinen eigenen keine frischen Spuren gab.
Er machte sich nun daran, die Höhlen eingehend zu untersuchen, fand jedoch nicht den geringsten Hinweis darauf, warum Domo Sokrat weggegangen war. „Er ist entführt worden", konstatierte er schließlich. „Es gibt keine andere Möglichkeit."
Er entschied sich für eine solche Antwort, obwohl es keine Spuren von Gewaltanwendung gab. Doch die waren gar nicht zu erwarten. Domo Sokrat war durch die Impulse der Kannibalkristalle nicht in der Lage gewesen, Widerstand zu leisten. „Wahrscheinlich hat ihn jemand an der Hand genommen und weggeführt", sagte der Haluter. Er formulierte seine Gedanken absichtlich laut, weil er wollte, daß Taravatos die entsprechenden Informationen erhielt.
Plötzlich vernahm Tolot ein Geräusch. Er blieb regungslos stehen und horchte.
Jemand näherte sich dem Höhleneingang, und es war weder ein Posbi noch ein Terzrocker.
Icho Tolot blickte sich kurz um und glitt dann mit Hilfe seines Gravo-Paks lautlos zur Seite hinter eine Eiswand. Er wartete und lauschte.
Der Unbekannte hatte die erste Höhle betreten und schien nicht recht zu wissen, wohin er sich nun wenden sollte. Als er hustete, wußte der Haluter, daß er es mit einem Gurrad zu tun hatte. Tatsächlich trat wenig später der Humanoide ein. Es hatte die charakteristischen Katzenaugen dieses Intelligenzvolks und die mächtige Löwenmähne, die nicht nur den Kopf und den Nacken bedeckte, sondern auch weit ins Gesicht hineinreichte.
Der Löwenkopf, wie man die Gurrads auch nannte, war auffallend klein, und er hatte offensichtlich eine partielle Gesichtslähmung, denn der rechte Teil seines Gesichts war schlaff und ohne Ausdruck. Er trug eine marineblaue Kombination aus weichem Leder und leuchtendrote Stiefel, die ihm bis an die Knie reichten. Auf seiner Brust leuchtete ein roter Ball, der von drei weißen Pfeilen durchbohrt wurde. Er fiel Icho Tolot auf, weil er zuvor noch nie bei einem Gurrad einen solchen Ball gesehen hatte, der von mehr als einem Pfeil durchbohrt wurde.
Icho Tolot trat einen Schritt vor. Er erwartete, daß der Gurrad erschrocken zurückfahren würde, doch er tat es nicht. Sein Gesicht blieb völlig ausdruckslos, und er verriet mit keiner Geste, daß er überrascht war. „Was treibst du hier?" fragte der Haluter mit bewußt lauter Stimme. Er wollte den Löwenkopf beeindrucken und einschüchtern. „Ich bin auf diesem Planeten geboren", erwiderte der Gurrad voller Stolz. „Dies ist meine Heimat, und ich kann mich überall bewegen, ohne irgend jemand dafür Rechenschaft schuldig zu sein."
Icho Tolot ging auf den Gurrad zu und blieb dicht vor ihm stehen. Mit rot leuchtenden Augen blickte er auf ihn hinab. Der Löwenköpfige war höchstens zwei Meter groß und reichte ihm somit gerade an das untere Armpaar. „Du solltest antworten", empfahl er ihm. „Oder du bekommst Schwierigkeiten. Wer bist du?"
„Kranar", erwiderte der Gurrad gelassen. Er trat zwei Schritt zurück und setzte sich auf eines der wissenschaftlichen Geräte. „Man hat mir berichtet, daß Sie vor einiger Zeit hier waren und mit Domo Sokrat gesprochen haben. Jetzt gehe ich davon aus, daß Sie ihn suchen. Sie wären kaum hier in den Höhlen, wenn es nicht so wäre."
„Das kann schon sein", antwortete der Haluter zurückhaltend. „Ich kann Ihnen sagen, wo Domo Sokrat ist. Deshalb bin ich hier. Ich habe mit Ihrer Rückkehr gerechnet."
Icho Tolot lachte so laut, daß der Gurrad sich die Hände über die Ohren legte. „Müssen Sie so brüllen?" fragte er, als der Haluter wieder verstummte. „Du bist voller Sorge. Seit vielen Tagen plagt dich nur der eine Gedanke: Ich könnte Domo Sokrat nicht finden." Icho Tolot lachte erneut. „Ich bin gerührt. Glaubst du wirklich, ich falle auf so einen Schwindel herein?"
Kranar blieb ruhig. Auch jetzt zeigte er keinerlei Gefühlsregungen. „Sokrates und ich sind Freunde", erläuterte er. „Schon seit vielen Jahren. Mit großer Bestürzung habe ich den Verfall seiner Persönlichkeit verfolgt. Er war außerordentlich
Weitere Kostenlose Bücher