1464 - Das Phantom von Phönix
Wellen geringerer Frequenz. Dessen ungeachtet mußte das Kontrollfunknetz - dieser Begriff hatte sich ohne bewußtes Dazutun in seinen Gedanken gebildet -, wenn es seine Aufgabe wirklich lückenlos erfüllen sollte, aus Dutzenden von Millionen Satelliten bestehen. Wer die Aufgabe vor sich sieht, ein Kontrollsystem mit 40 oder 50 Millionen Komponenten so rasch wie möglich zur Einsatzreife zu bringen, der neigt dazu, mit der Herstellung der Einzelteile so wenig Aufwand wie möglich zu treiben.
So weit war alles klar. Das wahre Geheimnis war in einem etwa zwei Kubikzentimeter großen Modul enthalten, mit dem weder Sato Ambush noch die drei Anoree etwas anzufangen wußten - auch nicht, nachdem es bis in mikroskopische Bruchstücke zerlegt worden war. Uralter terranischer Wissenschaftlertradition folgend, nannte der Pararealist das geheimnisvolle Modul die Black Box und gelangte ohne Mühe zu dem Schluß, daß es die Black Box war, die dem Satelliten klarmachte, welche Impulsfolgen er abzustrahlen hatte. Mit anderen Worten: Sato Ambush würde die Funktionsweise des Kontrollfunknetzes nicht verstehen, solange er das Geheimnis des miniaturisierten Moduls nicht entschlüsselt hatte.
Er, den alle Welt für ein Genie hielt, war der Ansicht, daß diese Aufgabe ihn überfordere. Auch die Anoree konnten ihm nicht helfen. Es hätte der kombinatorischen Fähigkeit Dutzender von Großcomputern bedurft, dem Rätsel der Black Box mit statistischen Methoden auf die Spur zu kommen. Auf Heleios gab es keine Dutzende von Großcomputern, und selbst wenn sie vorhanden gewesen wären, hätte man sie einem schmalschultrigen, großköpfigen Wissenschaftler, dessen Forschungsgebiet etlichen konventionellen Denkern ohnehin noch suspekt war, nicht zur Verfügung stellen können. Der Stützpunkt der Organisation WIDDER hatte um seine eigene Sicherheit besorgt zu sein. Allein für diesen Zweck wurde alles vorhandene Rechnerpotential benötigt.
Sato Ambush hatte eine Komponente des Kontrollfunknetzes erbeutet, mit dem die Herrscher der Milchstraße die Cantaro steuerten. Aber der Antwort auf die Frage, wer denn die Herrscher eigentlich seien, war er damit noch um keinen Schritt näher gekommen.
Wenigstens bis jetzt noch nicht. 6. 24. Januar 1146 „Ich habe gestern mit Frodar Huggins gesprochen", sagte Jennifer Thyron. „Er hat mir eine merkwürdige Geschichte erzählt."
Sie sprach ungewöhnlich ernst. Bisher war das Frühstück im Hause Tekener/Thyron unter leichtem Geplauder vonstatten gegangen. Jennifers Bemerkung kam für die übrigen Teilnehmer der kleinen Tischrunde - zu fünft waren sie insgesamt - ein wenig überraschend. „Was für eine Geschichte?" fragte Ronald Tekener verwundert. „Eigentlich wollte er damit nicht herausrücken", antwortete Jennifer. „Es rutschte ihm nur so eine Bemerkung über die Zunge. Du kennst mich, wenn jemand mich neugierig macht. Ich ließ nicht locker, bis er mir die ganze Sache erzählt hatte. Es schien, daß Frodar vor gut drei Wochen mitten in der Nacht oben bei der Gleiterfabrik an der Selva nach einem neuen Fahrzeug Ausschau hielt ..."
Sie berichtete, was Frodar Huggins in der Nacht des 2. Januars erlebt hatte. Es hörte sich ziemlich dramatisch an. Frodar hatte, wie gesagt, über sein nächtliches Erlebnis den Mund halten wollen. Als er sich in seiner Geschwätzigkeit dann doch verplapperte, war es ihm angemessen erschienen, die Geschichte so auszuschmücken, daß er selbst nicht allzu lächerlich dastand. „Das ist seltsam", bemerkte Irmina Kotschistowa, nachdem Jennifer geendet hatte. „Ich hatte in der Nacht nach unserer Ankunft ein ähnliches Erlebnis. Ich habe es verdrängt, weil ich mich vor Phantomen fürchte."
Sie berichtete und schloß mit den Worten: „Ich vermute, daß ich seit den Ereignissen im Siragusa-Sektor überempfindlich bin. Es gibt gewiß Fachleute, die mir glaubhaft machen könnten, daß ich nur einen Schwaden Leuchtgas gesehen habe, und die Kälte gab es vermutlich nur in meiner Einbildung."
Daraufhin entspann sich zunächst eine angeregte Diskussion. Roi Danton neigte zu Irminas Ansicht, daß es sich bei ihrem ebenso wie bei Frodar Huggins' Erlebnis um natürliche Phänomene gehandelt haben könne. Ronald Tekener machte ein paar wenig schmeichelhafte Bemerkungen über Frodars Lebensgewohnheiten im allgemeinen und sein Verhältnis zum Alkohol im besonderen. Damit kam er bei Jennifer allerdings an die Falsche. Sie widersprach heftig und ergriff Frodars Verteidigung,
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